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Steuerhinterziehung Kontra AO
14.11.2007, 00:29 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 14.11.2007 00:33 von Lemgun.)
Beitrag: #41
RE: Steuerhinterziehung Kontra AO
Ich habe vor kurzem in meiner Ausbildung gelernt, dass man hier Strafrecht und AO trennen muss. Ich trage mal ein wenig zusammen aus meinen Ausbildungsunterlagen und kommentiere das mal:

Die längeren Festsetzungsfristen setzen keine tatsächliche Bestrafung bzw. Ahndung voraus. Die obektiven und subjektiven Voraussetzungen der §§ 370 und 378 AO müssen aber gegeben sein, also:

1. Tatbestandsmäßigkeit
1.1. Objektiver Tatbestand: Erfolgsdelikt der Steuerhinterziehung durch aktives Handeln (z.B. Abgabe unrichtige Steuererklärung) oder pflichtwidriges Unterlassen (z.B. Nichtabgabe Steuererklärung oder Nichtberichtigung der Steuererklärung im Fall des § 153 AO) - hier wohl unstreitig
1.2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz und Fahrlässigkeit, Vorsatz bedeutet das Wissen und Wollen der Steuerhinterziehung einschließlich des Erfolges, bedingter Vorsatz reicht jedoch bereits aus ("In-Kauf-Nehmen", dass zu wenig Steuern anfallen). Grobe Fahrlässigkeit leigt vor, wenn der Täter im konkreten Fall das nicht beachtet, was jedem einleuchten würde. Hier liegt meist, wie auch in diesem Falle, der Hase im Pfeffer. Hat er nur für dieses eine Jahr Geld von der Soka bekommen? Dann sehe ich eine Chance. Wenn er mehrere Jahre oder mehrmals Geld bekam, ist es m.E. zumindest grob fahrlässig, sich über die Steuerpflicht keine Gedanken zu machen. Dann wäre meines Erachtens der Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt.
2. Rechtswidrigkeit - Verstoß gegen die Rechtsordnung - hier wohl unstreitig
3. Schuld - Schuldfähigkeit und keine Schuldausschließungsgründe - hier wohl unstreitig

Wenn ein Schuldausschließungsgrund, z.B. Tatbestandsirrtum vorliegt, kommt die 10jährige Festsetzungsfrist nicht in Betracht (BFH BStBl. II 1998 S. 530). Die Selbstanzeige schließt dagegen die Verlängerung nicht aus.

Das Finanzamt hat in eigener Verantwortung die Voraussetzungen zu prüfen. Es besteht demgemäß keine rechtliche Bindung an die Entscheidung der Strafgerichte In der Praxis haben diese Entscheidungen jedoch faktisch eine große Bedeutung, sofern denn eine Entscheidung vorliegt. Das ist hier jedoch nicht der Fall.

Gruß Lemgun
_______________________________________________________________________________
"Der Steuerbescheid ist neben dem Strafbefehl das wirksamste Instrument, den Bürger zu erschrecken."
[Quelle: Dr. Peter Knief - Steuer-Sätze, 153 Steuer-Aphorismen]
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14.11.2007, 01:17
Beitrag: #42
RE: Steuerhinterziehung Kontra AO
Hallo,

§ 370 Abs. 1 AO regelt doch die Voraussetzungen für die Steuerhinterziehung.
Liest man hier nach, so ist die Rede von "steuererheblichen Tatsachen". Schon hier stellt sich für mich die Frage, ob dieses Merkmal überhaupt erfüllt ist, also eine Steuerhinterziehung überhaupt in Betracht kommt.
Wenn nicht, landen wir automatisch im § 378 AO "leichtfertige Steuerverkürzung".

Nach meiner Meinung trifft § 370 AO nicht zu, da es an den steuererheblichen Tatsachen mangelt.
Weiterhin mangelt es mir an den, von anderen richtig angeführten Vorsatzgedanken bzw. der Vorsatzhandlung, die zudem von der Finanzverwaltung nachgewiesen werden müsste.
Vorsätzlich handeln kann aber nur jemand, dem der Umstand an seinem Tun bewusst ist, und dies vermag ich hier im Sachverhalt auch nicht zu erkennen.

Also sind wir im § 378 AO, der insgesamt erfüllt sein dürfte. Mithin lediglich eine erweiterte Frist von 5 Jahren vorliegt.

Und solange wir uns im 378 AO befinden, hat die Finanzverwaltung, deren einziges wahres Ziel es ist, die verkürzten bzw. hinterzogenen Steuern zu realisieren, die Entscheidungsmöglichkeit ob sie selbst einen Strafrahmen festlegt oder das an die zuständigen Stellen zur Strafverfolgung abgibt.

----------
Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch. -
George Bernard Shaw (1856-1950), Irischer Dramatiker und Satiriker
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14.11.2007, 01:28 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 14.11.2007 01:31 von Lemgun.)
Beitrag: #43
RE: Steuerhinterziehung Kontra AO
Steuererhebliche Tatsachen sind für mich unstreitig erfüllt durch die Nichterklärung der Einnahmen von der SOKA-Bau. Warum für dich nicht? Smile

Vorsatz könnte ich hier klar erkennen, wenn er wiederholt Geld von der SOKA bekommen hat, siehe oben. Bei grober Fahrlässigkeit geht die Tendenz m.E. eher zu Steuerverkürzung, also wenn er sich nur einmal keine Gedanken über die Steuerpflicht gemacht hat. Ist aber schwierig abzugrenzen zu bedingtem Vorsatz, der für Steuerhinterziehung ausreicht ("In-Kauf-Nehmen", dass zu wenig Steuern anfallen).

Gruß Lemgun
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"Der Steuerbescheid ist neben dem Strafbefehl das wirksamste Instrument, den Bürger zu erschrecken."
[Quelle: Dr. Peter Knief - Steuer-Sätze, 153 Steuer-Aphorismen]
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14.11.2007, 10:54 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 14.11.2007 10:55 von Vorwitzig.)
Beitrag: #44
RE: Steuerhinterziehung Kontra AO
Lemgun schrieb:Ich habe vor kurzem in meiner Ausbildung gelernt, dass man hier Strafrecht und AO trennen muss. Ich trage mal ein wenig zusammen aus meinen Ausbildungsunterlagen und kommentiere das mal:

Die längeren Festsetzungsfristen setzen keine tatsächliche Bestrafung bzw. Ahndung voraus. Die obektiven und subjektiven Voraussetzungen der §§ 370 und 378 AO müssen aber gegeben sein, also:

1. Tatbestandsmäßigkeit
1.1. Objektiver Tatbestand: Erfolgsdelikt der Steuerhinterziehung durch aktives Handeln (z.B. Abgabe unrichtige Steuererklärung) oder pflichtwidriges Unterlassen (z.B. Nichtabgabe Steuererklärung oder Nichtberichtigung der Steuererklärung im Fall des § 153 AO) - hier wohl unstreitig
1.2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz und Fahrlässigkeit, Vorsatz bedeutet das Wissen und Wollen der Steuerhinterziehung einschließlich des Erfolges, bedingter Vorsatz reicht jedoch bereits aus ("In-Kauf-Nehmen", dass zu wenig Steuern anfallen). Grobe Fahrlässigkeit leigt vor, wenn der Täter im konkreten Fall das nicht beachtet, was jedem einleuchten würde. Hier liegt meist, wie auch in diesem Falle, der Hase im Pfeffer. Hat er nur für dieses eine Jahr Geld von der Soka bekommen? Dann sehe ich eine Chance. Wenn er mehrere Jahre oder mehrmals Geld bekam, ist es m.E. zumindest grob fahrlässig, sich über die Steuerpflicht keine Gedanken zu machen. Dann wäre meines Erachtens der Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt.
2. Rechtswidrigkeit - Verstoß gegen die Rechtsordnung - hier wohl unstreitig
3. Schuld - Schuldfähigkeit und keine Schuldausschließungsgründe - hier wohl unstreitig

Wenn ein Schuldausschließungsgrund, z.B. Tatbestandsirrtum vorliegt, kommt die 10jährige Festsetzungsfrist nicht in Betracht (BFH BStBl. II 1998 S. 530). Die Selbstanzeige schließt dagegen die Verlängerung nicht aus.

Das Finanzamt hat in eigener Verantwortung die Voraussetzungen zu prüfen. Es besteht demgemäß keine rechtliche Bindung an die Entscheidung der Strafgerichte In der Praxis haben diese Entscheidungen jedoch faktisch eine große Bedeutung, sofern denn eine Entscheidung vorliegt. Das ist hier jedoch nicht der Fall.


das ist ja eigentlich unstreitig. Die (wohl streitige) Frage war, ob das Finanzamt im Steuerfestsetzungsverfahren überprüfen muss, ob eine Steuerhinterziehung vorlag.

Und das hat Petz verneint - was ich aber für falsch halte, denn wie sonst will das Finanzamt das Vorliegen einer verlängerten FF feststellen.

Beste Grüße
Vorwitzig [Bild: trust_me-001.gif]
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14.11.2007, 13:25
Beitrag: #45
RE: Steuerhinterziehung Kontra AO
Vorwitzig schrieb:Und das hat Petz verneint -

Nein, hat er nicht, da wurde ich missverstanden.

Ich habe gesagt, dass natürlich Steuerhinterziehung vorliegen muss, wei sollte man sonst auf 10 Jahre kommen.

Ich habe aber auch gesagt, dass es nur für das Strafverfahren wichtig ist, ob der subjektive Tatbestand erfüllt ist.

Für das Besteuerungsverfahren reicht der objektive Tatbestand aus.
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14.11.2007, 13:35 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 14.11.2007 13:36 von Vorwitzig.)
Beitrag: #46
RE: Steuerhinterziehung Kontra AO
also in meinem KOmmentar von Schwarz zu § 169 AO steht, dass der BFH verlangt, dass der objektive und subjektive Tatbestand des § 370 bzw. § 378 AO vorliegen muss unter Hinweis auf Urteile des BFH 16.01.1973 VIII R 52/69 und Urteil v. 27.08.91 VIII R 84/89 und 23.10.86 IV R 54/86. Die Tat müsse vollendet sein, Strafaufhebungs- und Strafausschließungsgründe seien aber unbeachtlich.

Beste Grüße
Vorwitzig [Bild: trust_me-001.gif]
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16.11.2007, 00:17
Beitrag: #47
RE: Steuerhinterziehung Kontra AO
Vorwitzig schrieb:
Lemgun schrieb:Das Finanzamt hat in eigener Verantwortung die Voraussetzungen zu prüfen. Es besteht demgemäß keine rechtliche Bindung an die Entscheidung der Strafgerichte In der Praxis haben diese Entscheidungen jedoch faktisch eine große Bedeutung, sofern denn eine Entscheidung vorliegt. Das ist hier jedoch nicht der Fall.


das ist ja eigentlich unstreitig. Die (wohl streitige) Frage war, ob das Finanzamt im Steuerfestsetzungsverfahren überprüfen muss, ob eine Steuerhinterziehung vorlag.

Und das hat Petz verneint - was ich aber für falsch halte, denn wie sonst will das Finanzamt das Vorliegen einer verlängerten FF feststellen.

Oki, ich verkürze mal meinen Text auf das Wesentliche. Wink

Bin der gleichen Meinung, dass das Finanzamt im Steuerfestsetzungsverfahren überprüfen muss, ob eine Steuerhinterziehung vorlag.

Gruß Lemgun
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16.11.2007, 22:03
Beitrag: #48
RE: Steuerhinterziehung Kontra AO
Hallo,

ich gebe auch mal meinen Senf ab, weil ich einen vergleichbaren Fall gerade auf dem Tisch habe. Nur etwas verschärft: Das Steuerstrafverfahren wurde gegen Zahlung von € X gemäß § 153a StPO eingestellt. Es sind etliche Änderungsbescheide (Schätzungsbescheide) ergangen, davon einige, bei denen die "normale" Festsetzungsfrist bei Erlass schon abgelaufen war. Das FA meint natürlich, dass Steuerhinterziehung vorliege. Allerdings hat die BuStra schlampig ermittelt; diese Aufgabe fällt nun der Veranlagung zu. Der AdV-Antrag hängt bereits am Finanzgericht. Mal sehen, was rauskommt.

Lesestoff: BFH, 07.11.2006, VIII R 81/04 (auch im BStBl II 2007 veröffentlicht, weiß gerade nur die Fundstelle nicht). Da steht alles wichtige drin. Wink

Zitat:Die subjektiven und objektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung gemäß §§ 169 Abs. 2 Satz 2, 370 AO 1977 sind ... immer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen. ...
Die Veranlagung hat eine eigene Prüfungskompetenz und -pflicht, egal, was die BuStra macht und ob die BuStra was macht. Der Prüfungsmaßstab ist nicht strenger als sonst im Besteuerungsverfahren auch. Aber auch hier gilt der Grundsatz "in dubio pro reo." Cool
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20.11.2007, 11:43
Beitrag: #49
RE: Steuerhinterziehung Kontra AO
Dazu eine kleine Geschichte am Rande.

FA erhält eine Kontrollmitteilung, dass der Mandant seit 1992 Geld in der Schweiz angelegt hat und bittet um Stellungnahme (kein Strafverfahren). Wir wühlen und durch die Unterlagen und stellen fest, in 1999 ergibt sich in der Tat eine - geringe - Nachzahlung. In den anderen Jahren ist außer Spesen buchstäblich nix gewesen. Die Einkünfte erklären wir entsprechend kommentarlos nach. Die Erklärung 1999 wurde 2000 abgegeben, also war die Festsetzungsfrist incl. leichtfertiger Verkürzung schon abgelaufen.

Jetzt kommt der entsprechende Bescheid für 1999, geändert nach § 173 AO (Erläuterung: "Die Abweichungen wurden Ihrem Berater bereits mitgeteilt"). Eingedenk dieses Threads habe ich den Bearbeiter angerufen und spaßeshalber gefragt, warum er denn von Steuerhinterziehung ausgehe? Das habe er doch gar nicht geprüft.

Und siehe da, am anderen Ende der Leitung nur Gestammel. Hm, ja, also da wisse er gar nicht, und da müsse er mal mit seinem Sachgebietsleiter, und hm, ja also äh...

Man sieht, auch Finanzbeamte scheinen sich desöfteren nicht ganz im klaren zu sein, was sie da eigentlich tun.
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20.11.2007, 17:30
Beitrag: #50
RE: Steuerhinterziehung Kontra AO
Hier noch die Fundstellen zu BFH, 07.11.2006, VIII R 81/04: BStBl II 2007, 364 = DStZ 2007, 199
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