Gewerbliche Einkünfte eigentlich freiberufliche
|
23.11.2010, 19:01
Beitrag: #11
|
|||
|
|||
RE: Gewerbliche Einkünfte eigentlich freiberufliche
Mit einem Änderungsantrag gegen die Einkommensteuer wirst du schon mal gar nix. Regelungsinhalt der Einkommensteuerfestsetzung ist lediglich die Höhe der festgesetzten Steuer - nicht mehr und nicht weniger. Ein Einkommensteuerbescheid regelt nicht die Einkunftsart der einzelnen Besteuerungsgrundlagen. Wie Clematis schon schrieb, da könnte auch Einkünfte aus Leberwurst stehen und es würd keine Socke kümmern. Siehe § 157 Abs. 2 AO.
Ansatzpunkt wäre hier die Festsetzung des GewMB. Aber einen § 129 AO seh ich hier gar nicht. Wie Petz schon schrieb, ein Ingeneur hat nicht zwingend freiberufliche Einkünfte. Ergo kann eine falsche rechtliche Würdigung nicht ausgeschlossen werden und wir sind raus aus dem § 129 AO. Wenn das Leben Dir Zitronen anbietet, frag nach Tequila und Salz und ruf' mich an! |
|||
23.11.2010, 19:33
Beitrag: #12
|
|||
|
|||
RE: Gewerbliche Einkünfte eigentlich freiberufliche
Kiharu schrieb:Regelungsinhalt der Einkommensteuerfestsetzung ist lediglich die Höhe der festgesetzten Steuer - nicht mehr und nicht weniger.=> aber da wäre ich ja wieder drin, weil ich ja gegen die festgesetzte Einkommensteuer vorgehe, in dem ich sage, die Ermäßigung gem. § 35 EStG ist nicht rechtens, auch wenn es im ersten Moment eine Verböserung darstellt. Kiharu schrieb:Wie Petz schon schrieb, ein Ingeneur hat nicht zwingend freiberufliche Einkünfte. Ergo kann eine falsche rechtliche Würdigung nicht ausgeschlossen werden und wir sind raus aus dem § 129 AO. => soweit so gut, aber es handelt sich um einen freiberuflichen Ingenieur - nach Prüfung sämtlicher Eventualitäten. Könnte ich mich somit auf eine falsche rechtliche Würdigung berufen? Ich weiß, ich bin hartnäckig... Ich habe nichts anzumelden, außer dass ich genial bin (Oscar Wilde) |
|||
23.11.2010, 20:14
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 23.11.2010 20:21 von Kiharu.)
Beitrag: #13
|
|||
|
|||
RE: Gewerbliche Einkünfte eigentlich freiberufliche
§ 129 AO greifft nur, wenn die Möglichkeit eines Rechtsirrtums, Denkfehlers oder einer unvollständigen Sachverhaltsaufklärung ausgeschlossen ist! Das ist ständige BFH-Rechtsprechung.
Hier kann aber ein Rechtsfehler oder Denkfehler nicht ausgeschlossen werden - also liegt kein Fall des § 129 AO vor. Zitat:aber da wäre ich ja wieder drin, weil ich ja gegen die festgesetzte Einkommensteuer vorgehe, in dem ich sage, die Ermäßigung gem. § 35 EStG ist nicht rechtens, auch wenn es im ersten Moment eine Verböserung darstellt. Versuch es doch. Aber es wird sich auch keine Korrekturvorschrift (auch zu Ungunsten) für den ESt-Bescheid finden lassen. Aber es ist dir insofern Recht zu geben, dass man in einem solchen Fall auch gegen den Einkommensteuerbescheid vorgehen könnte und dies eine Änderung nach § 35b GewStG in der Form nach sich ziehen würde, dass diese Bescheide aufzuheben wären. Zitat:Änderung der estl. Einkunftsart, Gewerbesteuermessbescheid: Der Gewerbesteuermessbescheid ist nach § 35 b Abs. 1 Satz 1 GewStG auch dann aufzuheben oder zu ändern, wenn die vorausgegangene Aufhebung oder Änderung des Einkommensteuerbescheids darauf beruht, dass die Tätigkeit des Steuerpflichtigen nicht mehr wie bisher als gewerbliche qualifiziert, sondern einer anderen Einkunftsart zugeordnet wird. - Urt.; BFH 23.6.2004, X R 59/01; SIS 04 38 08 Wenn das Leben Dir Zitronen anbietet, frag nach Tequila und Salz und ruf' mich an! |
|||
23.11.2010, 20:30
Beitrag: #14
|
|||
|
|||
RE: Gewerbliche Einkünfte eigentlich freiberufliche
Klasse-und dann hat man die Anrechnung los-aber dafür immer noch die GewSt-Bescheide, die ja nicht änderbar sind.
So kommt man vom Regen in die Traufe. ----------------- LG Clematis |
|||
23.11.2010, 20:45
Beitrag: #15
|
|||
|
|||
RE: Gewerbliche Einkünfte eigentlich freiberufliche
Die Gewerbesteuerbescheide werden doch geändert, wenn der Messbescheid geändert wird?!?
Aber es ist wohl so, dass es keine Korrekturvorschrift gibt, mit der ich den ESt-bescheid ändern kann. Ob ich es versuche muss ich wohl mit meinem Chef klären. man muss sich nicht beim FA lächerlich machen ;-) Aber danke für eure Mühen! Viele Grüße e Ich habe nichts anzumelden, außer dass ich genial bin (Oscar Wilde) |
|||
24.11.2010, 09:19
Beitrag: #16
|
|||
|
|||
RE: Gewerbliche Einkünfte eigentlich freiberufliche
Hallo,
ich werde für das nachfolgende eine Weile suchen müssen, aber ich werde es schon finden. Ob Gewerbesteuer zu erheben ist oder nicht regelt sich allein aus § 2 GewStG. Die Grundlagen zur Ermittlung der Gewerbesteuerpflicht sind völlig losgelöst von den ertragsteuerlichen Ermittlungen bei der Einkommensteuer. Dies bedeutet, dass die Einkünftezuordnung bei der Einkommensteuer völlig losgelöst ist von der Einkünftezuordnung bei der Gewerbesteuer. Zwar beruft sich § 2 GewStG an den Ermittlungsmerkmalen des § 15 EStG, aber eine fehlerhafte Zuordnung bei der Einkommensteuer führt mangels tatsächlicher gewerblicher Einkünfte niemals zu einer gewerbesteuerlichen Veranlagung. Der Gewerbesteuermessbescheid ist Grundlagenbescheid für die Erhebung der Gemeinden anhand ihrer individuellen Hebesätze. Das betrifft aber nur die Ermittlung der Steuer. Die hebeberechtigte Behörde hat hinsichtlich der gewerblichen Tätigkeit eigene Ermittlungen aufzunehmen. Insoweit kann sie zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich der Einkünftezuordnung kommen. In aller Regel verlassen sich die Gemeinden aber auf die Vorermittlungsergebnisse der Finanzverwaltung. Also, bevor der Gewerbesteuermessbescheid überhaupt herangezogen werden kann, muss zunächst einmal die Gewerbesteuerpflicht ermittelt werden - und dies eigenständig. Allein das Fehlen einer Gewerbeanmeldung reicht aber für die Argumentation nicht aus. Da muss dann konkret noch ein wenig mehr her, damit die beratenden und damit gewerbesteuerlich unbeachtliche Tätigkeit nachgewiesen werden kann. Problematisch wird es in meinen Augen nur im Hinblick auf die Anrechnung nach § 35 EStG. Für die Ermittlung sind die Veranlagunsfinanzämter zuständig. Allerdings sehe ich hier durchaus die Möglichkeit von nachträglichen Tatsachen aufgrund der selbständigen Einkünfteermittlungspflicht zur Feststellung der Gewerbesteuerpflicht. Denn irgendwo im 35 steht: gewerbliche Einkünfte sind Einkünfte die der Gewerbesteuer unterliegen". Wie gesagt, ich werde es suchen und hoffentlich auch finden. Damals gab es die Gewerbesteueranrechnung bei der ESt noch nicht, und der mir in Erinnerung gebliebene Fall war ein klein wenig anders. Die Ursprungsfundstelle basiert auf einem Urteil aus 1964 oder 1965 und ist, soweit mir bekannt, nicht mehr geändert worden. Ich mache mich auf die Suche. ---------- Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch. - George Bernard Shaw (1856-1950), Irischer Dramatiker und Satiriker |
|||
24.11.2010, 09:45
Beitrag: #17
|
|||
|
|||
RE: Gewerbliche Einkünfte eigentlich freiberufliche
Mein lieber Zaunkönig,
ich danke dir schon mal recht herzlich für die Ausführungen. Liebe Grüße e Ich habe nichts anzumelden, außer dass ich genial bin (Oscar Wilde) |
|||
24.11.2010, 11:26
Beitrag: #18
|
|||
|
|||
RE: Gewerbliche Einkünfte eigentlich freiberufliche
Hallo,
es ging schneller als ich dachte, aber mir lag ja noch das Urteilsjahr im Gedächtnis. Anknüpfungspunkt ist der § 35b GewStG, der eine eigenständige Änderungsnorm darstellt, soweit nicht in einem anhänigigen Rechtsbehelfsverfahren der grundlegende Steuerbescheid angefochten wird. Eine andere AO-rechtliche Änderungsnorm (z.B. 164, 173) ist nicht notwendig. Insoweit ist der Gewerbesteuermessbescheid unabhängig der einkommensteuerlichen Ermittlungen separat anfechtbar und änderbar, da die einkommensteuerlichen Ermittlungen eben nur eine Erleichterungsfunktion übernehmen und keine Bindungswirkung für die gewerbesteuerlichen Ermittlungen entfalten. Das sah der BFH schon im Jahr 1965 so und wurde in 2004 in einem ähnlichen Verfahren nochmals aufgegriffen. Hier die Urteile: BFH vom 06.05.1965, IV 19/65 U (BStBl 1965 III S.419) BFH vom 23.06.2004, X R 59/01 (BStBl 2004 II S. 901) Schau Dir die Urteile an und versuch das Beste daraus zu machen. Und ich hoffe es passt auch alles. ---------- Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch. - George Bernard Shaw (1856-1950), Irischer Dramatiker und Satiriker |
|||
24.11.2010, 11:35
Beitrag: #19
|
|||
|
|||
RE: Gewerbliche Einkünfte eigentlich freiberufliche
Zitat:Und ich hoffe es passt auch alles. Sehe ich aber mal gaaaanz anders. Das Urteil aus 2004 hab ich oben schon mit Leitsatz gepostet. Darin ging es lediglich um das Verhältnis ESt-Bescheid - GewMB. Mit keiner Silbe wird auf den Gewerbesteuerbescheid angespielt. Den Gemeinden steht kein eigenes Rechts zur Überprüfung der eigentlichen Gewerbesteuerpflicht zu. § 184 Abs. 1 AO überträgt die Entscheidung darüber ausschließlich auf die Finanzämter, welche den MB erlassen. Wenn das Leben Dir Zitronen anbietet, frag nach Tequila und Salz und ruf' mich an! |
|||
24.11.2010, 15:03
Beitrag: #20
|
|||
|
|||
RE: Gewerbliche Einkünfte eigentlich freiberufliche
Hallo
ssystemtechnisch stimmt das auch. Aber das Urteil von 1965 und darauf aufbauend die Folgeurteile gehen sehr viel tiefer. Die Gemeinden haben lediglich hinsischtlich der Festsetzung der Gewerbesteuer das Hoheitsrecht. Die zuvor zu ermittelnden Sachverhaltsgrundlagen erfolgen einheitlich im Rahmen der ertragsteuerlichen (speziell einkommensteuerlichen) Ermittlung. Daraus resultiert eben auch der Gewerbesteuermessbescheid, welcher als Grundlagenbescheid für die Gewerbesteuerfestsetzung herangezogen wird. Aus Vereinfachungsgründen erfolgt aus der ertragsteuerlichen Einkünftezuordnung auch die gewerbesteuerliche Zuordnung, unabhängig davon, wie die Einkünfte richtigerweise oder unrichtigerweise für die Ermittlung der Steuerlast bei der Einkommensteuer als entsprechende Einkunftsart qualifiziert werden. Damit eben hier Fehler außerhalb des einkommensteuerlichen Verfahrens innerhalb der gewerbesteuerlichen Ermittlung berichtigt werden können, gibt es den § 35b GewStG als eigenständige Korrekturnorm. Denn unabhängig von den Zuordnungen der Einkünfte durch die Finanzverwaltung, sind zum Zwecke der gewerbesteuerlichen Grundlagen völlig eigenständige Ermittlungen vorzunehmen. Und wenn es an den Voraussetzungen des § 2 GewStG scheitert, dann besteht eben keine Gewerbesteuerpflicht mangels Voraussetzung des Steuergegenstandes. Das zu beurteilen obliegt aber nicht der Finanzverwaltung, da sie kein Hoheitsrecht an der Gewerbesteuer hat und lediglich im steuerlichen Ermittlungsverfahren des Gewerbeertrags hinzugezogen wird und insoweit über den Gewerbesteuermeßbescheid diesen an die hebeberechtigte Gemeinde mitteilt. Die Ermittlungstatbestände der Finanzverwaltung im Rahmen der Einkünftequalifizierung für einkommensteuerliche Zwecke sind absolut ohne Bindungswirkung für die Gewerbesteuer. Der BFH hat ja nicht ganz umsonst entschieden, dass ein Gewerbesteuermeßbescheid auch bei Bestandskraft aufzuheben ist, wenn die Voraussetzungen für die Erhebung der Gewerbesteuer nicht gegeben sind. Und wo kein Gewerbe vorliegt, da keine Gewerbeeinkünfte, somit keine Erhebungsgrundlage die zu einem Steuermessbescheid führt. Soweit verstehe ich die Urteile und soweit habe ich die ganze Geschichte auch noch aus dem FG-Verfahren aus den 90er Jahren in Erinnerung. Aber ich lasse mich gerne von einer anderen Argumentation überzeugen. Fakt für diesen Fall ist doch, dass zumindest für alle noch offenen und laufenden Verfahren bereits im Rahmen der Einkünfteermittlung im Einkommensteuerverfahren die Einkünfte umzuqualifizieren sind. Damit sind dann auch alle rechtlich relevanten Probleme beseitigt, soweit die entsprechenden Nachweise für die freiberufliche Tätigkeit erbracht werden können. Weiterhin kann dargelegt werden, dass hier erhebliche Tatsachen für das steuerliche Verfahren bisher unberücksichtigt geblieben sind. Unter Berufung auf § 35b GewStG und die eigenständige Wirkung als Korrekturnorm, kann Bezug genommen werden um die bisherigen Messbescheide aufheben zu lassen. Dann kann man sehen, wie das Finanzamt reagiert und argumentiert. Vielleicht findet sich ja auch noch ein anderes Urteil im Bereich der FG-Rechtsprechung, die ja auch als Sammelwerk zu haben ist. ---------- Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch. - George Bernard Shaw (1856-1950), Irischer Dramatiker und Satiriker |
|||
|
Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 7 Gast/Gäste