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Normale Version: BVerfG-Urteil zum Arbeitszimmer
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Karlsruhe. Die geltende Regelung zur steuerlichen Absetzbarkeit von Arbeitszimmern ist verfassungswidrig. Diesen Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht am Donnerstag veröffentlicht. Der Gesetzgeber muss rückwirkend ab 2007 eine Neuregelung schaffen.

Die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer müssen einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zufolge umfangreicher steuerlich absetzbar sein als bislang. Das geltende Steuerrecht sei verfassungswidrig, entschieden die obersten deutschen Richter in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss und kippten eine seit 2007 geltende Verschärfung im Steuerrecht. Der Entscheidung nach müssen Aufwendungen für häusliche Arbeitszimmer nun auch dann von der Steuer abgesetzt werden können, wenn das Zimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten Arbeit darstellt. Voraussetzung sei, dass kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, rückwirkend ab 2007 eine Neuregelung zu erlassen. (Az.: 2 BvL 13/09)

Das Verfassungsgericht entschied über eine Vorlage des Finanzgerichts Münster, das die Regelung als Verstoß gegen die Verfassung bewertet hatte. Bis 2007 konnten die Kosten für Arbeitszimmer auch dann abgesetzt werden, wenn der Steuerpflichtige nur einen Teil seiner Arbeit dort verrichtete. (apn/rtr)
Joooo!
Hab´s auch gerade gelesen...
Fein.
Zitat: Der Gesetzgeber muss rückwirkend ab 2007 eine Neuregelung schaffen.
Fragt sich, wie die dann aussieht.
Müssen die Kosten nun (jetzt) berücksichtigt werden, oder erst ab Neuregelung?
Hallo,

hätte ich nicht unbedingt in dieser Form erwartet, da wohl eine echte Rückwirkung vorliegt.

Da offene Verfahren auszusetzen sind, werden wohl nur diejenigen in den Genuss kommen, die noch nicht endgültig veranlagt sind.



Hier noch eine etwas ausführlichere Darstellung in Auszügen:

Zitat:Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit einer Mehrheit von 5:3 Stimmen entschieden, dass die Neuregelung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, soweit die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann von der steuerlichen Berücksichtigung ausgeschlossen sind, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Der Gesetzgeber ist danach verpflichtet, rückwirkend auf den 1. Januar 2007 durch Neufassung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen. Die Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen die Vorschrift im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Der allgemeine Gleichheitssatz verlangt vom Einkommensteuergesetzgeber eine an der finanziellen Leistungsfähigkeit ausgerichtete hinreichend folgerichtige Ausgestaltung seiner Belastungsentscheidungen. Die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst sich unter anderem nach dem objektiven Nettoprinzip. Danach sind betrieblich oder beruflich veranlasste Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten von der Bemessungsgrundlage abziehbar. Benachteiligende Ausnahmen von dieser Belastungsgrundentscheidung des Einkommensteuergesetzgebers bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, um den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes zu genügen.

Daran fehlt es hier. Die im Gesetzgebungsverfahren angeführten fiskalischen Gründe sind nicht geeignet, die Neuregelung vor dem allgemeinen Gleichheitssatz zu rechtfertigen. Das Ziel der Einnahmenvermehrung stellt für sich genommen keinen hinreichenden sachlichen Grund für Ausnahmen von einer folgerichtigen Ausgestaltung einkommensteuerrechtlicher Belastungsentscheidungen dar. Denn dem Ziel der Einnahmenvermehrung dient jede, auch eine willkürliche steuerliche Mehrbelastung.

Darüber hinaus verfehlt die Neuregelung das Gebot einer hinreichend realitätsgerechten Typisierung, soweit Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer auch dann nicht zu berücksichtigen sind, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Denn der Mangel eines alternativen Arbeitsplatzes, der sich durch die Vorlage einer Bescheinigung des Arbeitgebers ohne weiteres nachweisen lässt, liefert eine leicht nachprüfbare Tatsachenbasis für die Feststellung der tatsächlich betrieblichen oder beruflichen Nutzung und damit die Möglichkeit einer typisierenden Abgrenzung von Erwerbs- und Privatsphäre. Dagegen ist die Ermittlung und Bestimmung der nach der Neuregelung vom Abzugsverbot ausgenommenen Kosten eines Arbeitszimmers, das den „qualitativen“ „Mittelpunkt“ der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit bildet, offenkundig aufwendig und streitanfällig. Gemessen an den Zielen des Gesetzes - Vereinfachung, Streitvermeidung und Gleichmäßigkeit der Besteuerung - wird das Abzugsverbot, soweit es die Fallgruppe „kein anderes Arbeitszimmer“ betrifft, den Anforderungen einer realitätsgerechten Typisierung daher nicht gerecht.

In Erweiterung der verfassungsrechtlichen Prüfung hat das Bundesverfassungsgericht jedoch entschieden, dass die Ausdehnung des Abzugsverbotes nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, soweit davon nunmehr auch Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer erfasst sind, das zu mehr als 50 % der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit ausschließlich betrieblich oder beruflich genutzt wird. Der Umfang der Nutzung des Arbeitszimmers ist allenfalls ein schwaches Indiz für dessen Notwendigkeit, wenn dem Steuerpflichtigen von seinem Arbeitgeber ein weiterer Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wird. Es fehlt zudem an leicht nachprüfbaren objektiven Anhaltspunkten für die Kontrolle der Angaben des Steuerpflichtigen zum Umfang der zeitlichen Nutzung des Arbeitszimmers.
Zitat:Da offene Verfahren auszusetzen sind, werden wohl nur diejenigen in den Genuss kommen, die noch nicht endgültig veranlagt sind.
Bisher waren doch alle Bescheide hierzu vorläufig.
Nein, nicht alle. Ist ja nicht sofort in die Vorläufigkeitsliste aufgenommen worden. Da musste dann schon noch EInspruch eingeleg werden und das RdV beantragt werden.

LG
e
Hallo,

ich weiß von vielen Ämtern, die jegliche Ansetzung von WK bezüglich des Arbeitszimmers, unter Hinweis auf ablehnende Rechtsprechung und den Gesetzestext, grundsätzlich abgelehnt haben. Da wurde auch kein entsprechender Vorläufigkeitsvermerk gesetzt.

Wer also nicht gleich unter Berufung auf die Anhängigkeit beim BVerfG den Rechtsbehelf eingelegt hat, der schaut dumm aus der Wäsche.


Ob man zu dem Ergebnis wie bei der Entfernungspauschale kommt, dass lasse ich mal dahingestellt. Wohl eher nicht, da das Gericht lediglich eine rückwirkende Neuregelung angeordnet hat und wohl nicht festgestellt hat, dass die alte Regelung bis zu einer Neuregelung beizubehalten ist.


Als ich den Gesetzentwurf gelesen habe, habe ich den bisherigen Verfahrensstand prophezeit.
Angeblich sollen wir morgen nachmittag schon den Entwurf eines BMF-Schreibens bekommen....
Petz schrieb:Angeblich sollen wir morgen nachmittag schon den Entwurf eines BMF-Schreibens bekommen....
ich tippe mal, da steht drin, die alte Regelung wird wieder hergestellt...
Und ich tippe mal, das wird da nicht drin stehen.

Denn

Zitat:die Neuregelung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, soweit die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann von der steuerlichen Berücksichtigung ausgeschlossen sind, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

ist nur die halbe Miete der alten Regelung.

Und das hier

Zitat:In Erweiterung der verfassungsrechtlichen Prüfung hat das Bundesverfassungsgericht jedoch entschieden, dass die Ausdehnung des Abzugsverbotes nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, soweit davon nunmehr auch Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer erfasst sind, das zu mehr als 50 % der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit ausschließlich betrieblich oder beruflich genutzt wird.

war die andere Hälfte der Altregelung. Und die wird wohl nicht wieder kommen.
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