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Sonderausgaben: KV im Ausland
16.04.2012, 20:29
Beitrag: #1
Sonderausgaben: KV im Ausland
Hallo,

ein früherer Mandant, den ich als "streitlustig" beschreiben möchte, ist bis kurz vor die Wand gelaufen und erwartet nun, dass ihn jemand bremst.

Sachverhalt:
M ist seit mehr als zwei Jahren (DBA muss daher hierauf nicht mehr geprüft werden) angestellter Hochschulprofessor an einer polnischen Universität, hat aber dort keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, sondern wohnt in DE.

In PL versteuert er seinen Lohn. Das polnische Recht lässt den Abzug von Sozialversicherungsausgaben in voller Höhe (?) als oder wie WK zu. Was hier aber eigentlich auch egal ist.

Deutschland stellt die Einkünfte frei und unterwirft sie dem PV, § 32b (1) Nr. 3.

Hier geht es um die Frage der Abzugsfähigkeit der polnischen SV. Er hat diese begehrt und wurde vom FA wegen § 10 (2) Nr. 1 EStG entsprechend abgewiesen. Mit Einspruchsentscheidung. Die Versicherungsbeiträge stehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit steuerpflichtigen Einkünften.

Jetzt ruft er mich - zwei Tage vor Ablauf der Klagefrist - an und fragt, ob ich die Klage vertrete.

Klar ist..... die Gesetzeslage. M will aber darauf hinaus, dass es europarechtswidrig sei, dass er seine SV-Beiträge nicht abziehen darf, während sein in DE dozierender Kollege die SV-Beiträge abzieht. Das FG müsste also im Ergebnis den EuGH beiziehen.

Dies soll die Grundlage seines Begehrens bilden.

Ich habe ihm angeboten, die Klage selber begründungslos, aber fristwahrend, zunächst beim FG per Fax mit Papierbrief hinterher anzubringen - Vertretungsvollmacht braucht er in dieser Phase nicht und ich bin unsicher, ob ich bis morgen genug durchdacht habe, um den Weg mitzugehen.

Nun ist es so, dass M sicherlich nicht der einzige im Ausland arbeitende Mensch sein dürfte, der vor diesem Problem steht. Anhängige BFH-Verfahren habe ich nicht gefunden, so dass man hier also wohl einen Präzedenzfall schaffen würde.

Wenn er selber die Klage einreicht, haben er und ich ein paar Wochen Zeit, um die nächsten Schritte zu überdenken. Scheut er davor, muss ich ihm morgen was antworten.

Habt ihr Ideen dazu?

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16.04.2012, 22:49
Beitrag: #2
RE: Sonderausgaben: KV im Ausland
Versuchen kann man es... Hier adhoc zwei Fundstellen.

Kommentar schrieb:ArbN-Anteil am Sozialversicherungsbeitrag: Dieser ist nur dann vom Abzug ausgeschlossen, wenn die entsprechenden Einnahmen stfrei gestellt sind. (...) Gleiches gilt bei Zahlung der Beiträge aus nach einem DBA stfreien Arbeitslohn (BFH v. 29.4.1992 - I R 102/91, BStBl. II 1993, 149; OFD Düss. v. 20.7.1983, DB 1983, 2266; europarechtl. Bedenken äußert insoweit BFH v. 18.12.1991 - X B 126/91, BFH/NV 1992, 382); bei der Anwendung des Progressionsvorbehalts sind diese Vorsorgeaufwendungen dann aber zu berücksichtigen (BFH v. 29.4.1992 - I R 102/91, BStBl. II 1993, 149);

Hier der o.g. Beschluss

18.12.1991 - X B 126/91, BFH/NV 1992, 382 schrieb:(...) Das FG hat --wie bereits das FA-- stillschweigend unterstellt, daß Arbeitnehmerbeiträge an den luxemburgischen Sozialversicherungsträger von einem unbeschränkt Steuerpflichtigen als Vorsorgeaufwendungen abgezogen werden können. Dies ist nicht unzweifelhaft: Nach der Rechtsprechung des BFH sind nicht als Sonderausgaben abziehbar Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung, die auf Arbeitslohn entfallen, der nach dem Montage-Erlaß (BFH-Urteil vom 18.Juli 1980 VI R 97/77, BFHE 131, 339, BStBl II 1981, 16) oder nach § 3 Nr.63 EStG a.F. (weil in der ehemaligen DDR erzielt; BFH-Urteil vom 27.März 1981 VI R 207/78, BFHE 133, 64, BStBl II 1981, 530) steuerfrei ist bzw. war. Dies wird damit begründet, daß ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen i.S. des § 10 Abs.2 Nr.2 EStG vorliege. Abschn.87a Abs.1 Nr.1 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1990 (*= Abschn.52 Abs.1 Nr.1 der Lohnsteuer-Richtlinien --LStR-- 1990) hat diese Aussage verallgemeinert: Nicht abziehbar sind auch gesetzliche Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung, die auf Arbeitslohn entfallen, der aufgrund eines DBA steuerfrei ist.

Dieses Ergebnis wird in der Literatur überwiegend abgelehnt (z.B. Söhn in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 10 Rdnr.M 7ff.; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10 EStG Anm.376). Auch nach Auffassung des erkennenden Senats ist dies nicht zweifelsfrei: Kann der Steuerpflichtige weder in Luxemburg (dort als beschränkt Steuerpflichtiger) noch im Inland Vorsorgeaufwendungen geltend machen, bedürfte eine solche Auslegung des § 10 Abs.2 Nr.2 EStG einer Überprüfung am Maßstab des Verfassungsrechts und des Rechts der Europäischen Gemeinschaft.

Diese Frage kann indes dahingestellt bleiben, da die Abziehbarkeit jedenfalls an § 10 Abs.3 Nr.2 Satz 2 Buchst.a EStG scheitert. (...)



und neuer sogar

BFH 03.11.2010 - I R 73/09, BFH/NV 2011, 773 schrieb:(...) Das FG hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die von der Klägerin gezahlten Beiträge zur niederländischen Krankenversicherung als Sonderausgaben i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 2002 abzuziehen. In diesem Zusammenhang kann im Streitfall offenbleiben, ob ein solcher Abzug im Grundsatz zulässig ist. Insbesondere muss nicht entschieden werden, ob aus europarechtlichen Gründen in einem anderen Staat der Europäischen Union geleistete Versicherungsbeiträge trotz § 10 Abs. 2 EStG 2002 in Deutschland abziehbar sind, wenn die Einkünfte aus jenem Staat --hier: aus den Niederlanden-- durch ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Einkommensteuer befreit sind (vgl. dazu Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 19. November 2009 C-314/08 "Filipiak", Internationales Steuerrecht 2009, 892). Denn das FA hat unwidersprochen und in Übereinstimmung mit der Aktenlage vorgetragen, dass eine zusätzliche Berücksichtigung jener Beiträge im Hinblick auf die für Vorsorgeaufwendungen geltenden Abzugsbeschränkungen (§ 10 Abs. 3 EStG 2002) nicht zu einer Verminderung der festzusetzenden Steuer führen würde.
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17.04.2012, 09:03
Beitrag: #3
RE: Sonderausgaben: KV im Ausland
Danke.

Das 1991er Urteil können wir vergessen, weil sich die Gesetzeslage durch das JStG 1996 geändert hat.

Das 2010er Urteil klingt da verheißungsvoller. Allerdings hat das FG Köln v. 26.05.2009 - 1 K 3199/07 darauf Bezug genommen und rechtskräftig geurteilt, dass weder ein SA-Abzug noch eine Schattenveranlagung in Frage kommt.

Dünnes Eis....

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17.04.2012, 09:28
Beitrag: #4
RE: Sonderausgaben: KV im Ausland
Umgedreht wird ein Schuh draus. Das FG Urteil aus Köln war Vorinstanz des BFH Urteils v. 3.11.10.; vgl. Entscheidungsgründe BFH

Zitat:II. Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. (...)
Das FG hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die von der Klägerin gezahlten Beiträge zur niederländischen Krankenversicherung als Sonderausgaben i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 2002 abzuziehen. In diesem Zusammenhang kann im Streitfall offenbleiben, ob ein solcher Abzug im Grundsatz zulässig ist. Insbesondere muss nicht entschieden werden, ob aus europarechtlichen Gründen in einem anderen Staat der Europäischen Union geleistete Versicherungsbeiträge trotz § 10 Abs. 2 EStG 2002 in Deutschland abziehbar sind, wenn die Einkünfte aus jenem Staat --hier: aus den Niederlanden-- durch ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Einkommensteuer befreit sind (vgl. dazu Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 19. November 2009 C-314/08 "Filipiak", Internationales Steuerrecht 2009, 892). (...)

Es ist gerade so, dass der BFH die Frage unentschieden lässt, weil im Einzelfall unerheblich. Für den erheblichen Fall (wirkt sich auf festzusetzende Steuer aus) hat der BFH gerade den Wink mit dem Zaunpfahl gegeben, dass das wohl zu prüfen wäre.
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17.04.2012, 09:32
Beitrag: #5
RE: Sonderausgaben: KV im Ausland
Richtig. Meine müden Augen!

Ich muss erst mal einen Kaffee....

Danke für die Richtigstellung.

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