Antwort schreiben 
 
Themabewertung:
  • 0 Bewertungen - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Umzugskosten
10.04.2008, 10:54
Beitrag: #1
Umzugskosten
Hallo,

ein befreundeter Arzt (Dr. med als Zythologe + Pathologe in einer Gemeinschaftspraxis selbständig tätig), hat bei seiner Einkommensteuererklärung Umzugskosten als WK geltend gemacht.

Umzug erfolgte lediglich 3 km näher zum Arbeitsort. Aufgrund der besonderen verkehrstechnischen Gegebenheiten verringert sich die Fahrtzeit allerdings um rund 30 Minuten für eine Strecke, mithin also um 1 Stunde täglich.

FA lehnt WK-Abzug ab, der Arzt möchte den Abzug haben, da er sich wohnlich deutlich verschlechtert hat und lediglich aus betrieblichen Interessen den Wohnort so gewechselt hat, dass er schneller und zügiger in der Praxis ist.

Mal abgesehen davon, dass die WK umzuqualifizieren wären in Sonder-BA, liegt der Sachverhalt im Grenzbereich der Richtlinien und der fortgeführten BFH-Rechtsprechung.

Aussicht auf Erfolg im Rechtsbehelfsverfahren und Prozessrisiko?

----------
Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch. -
George Bernard Shaw (1856-1950), Irischer Dramatiker und Satiriker
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Bedanken Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
10.04.2008, 17:44
Beitrag: #2
RE: Umzugskosten
Hallo, mich würde mal interessieren, was das Besondere an den verkehrstechnischen Gegebenheiten ist? Wie wurde die Zeitersparnis berechnet? Vielleicht bestätigt durch einen Routenplaner?

Wenn das Leben Dir Zitronen anbietet, frag nach Tequila und Salz und ruf' mich an!
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Bedanken Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
10.04.2008, 17:59 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 10.04.2008 18:07 von Hans-Christian.)
Beitrag: #3
RE: Umzugskosten
In erster Linie kommt es nicht auf die absolute Verkürzung der Fahrstrecke, sondern auf die Verringerung der Fahrzeit an: Dies ist deshalb von Bedeutung, weil sich bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel häufig eine erhebliche Fahrzeitersparnis ergeben kann, obwohl sich die Entfernung nicht wesentlich verkürzt hat. So genügt eine Fahrzeitersparnis von insgesamt rund einer Stunde täglich bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, auch wenn durch den Umzug die Entfernung lediglich um 6 bis 8 km verkürzt wird.

BFH-Urteil vom 6.11.1986, BFH/NV 1987 S. 236

BFH-Urteil vom 15.10.1976 BStBl 1977 II S. 117

Sehr interessant ist folgende Urteil:
FG Baden-Württemberg 29.04.1993 EFG 1993 S. 715
Die Fahrzeut nach dem Umzug mit öffentl. Verk. wird mit der Fahrzeit vor dem Umzug ebenfalls mit öff. Verk. verglichen, obwohl vorher mit dem PKW gefahren wurde.

mfg Dr. H.C. Freak Wink
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Bedanken Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
10.04.2008, 18:00
Beitrag: #4
RE: Umzugskosten
Hallo,

die Zeitersparnis ergibt sich alleine aufgrund der Tatsache, dass hier von einem Flußufer zum anderen gewechselt wurde und die drei vorhandenen Brücken zu den Hauptverkehrszeiten grundsätzlich so verstopft sind, dass lediglich Stop & Go möglich ist.
Unberechenbarer weiterer Faktor ist die von der Stadt ampeltechnisch gesteuerte Autobahn. Wenn der Verkehr nicht zügig rollt, dann werden die Autobahnzufahrten durch zeitlich wechselnde Rotlichtschaltungen gesperrt. Alternativen gibt es nicht, weil es immer irgendwie über den Autobahnring geht.

3/4 der bisherigen Gesamtfahrzeit wurde damit zugebracht von einer Flußseite zur anderen zu kommen.
Jetzt fährt man einfach nur 10km geradeaus in die Stadt.

Reicht dies als Info?

----------
Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch. -
George Bernard Shaw (1856-1950), Irischer Dramatiker und Satiriker
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Bedanken Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
10.04.2008, 18:04
Beitrag: #5
RE: Umzugskosten
Dacht ichs mir doch, ein Fluss liegt dazwischen. Danke für die Infos. Gehe nochmal in mich und gebe dann hier mein Statement ab.

Wenn das Leben Dir Zitronen anbietet, frag nach Tequila und Salz und ruf' mich an!
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Bedanken Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
10.04.2008, 18:10
Beitrag: #6
RE: Umzugskosten
Hab mein Beitrag nochmal ergänzt, siehe oben.
Schwerpunkt der Urteile ist Fahrzeitverkürzung, die objektive und nicht die Fahrtstrecke. Sonnst würde ja auch eine Verlängerung der Strecke nie als Umzug beruflich anerkannt werden obwohl Fahrzeugverkürzung rauskommen kann.

mfg Dr. H.C. Freak Wink
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Bedanken Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
10.04.2008, 18:19
Beitrag: #7
RE: Umzugskosten
Habe eben auch nochmal sämtliche Rechtsprechung quergelesen. Fazit: Wenn einstündige Fahrzeitverkürzung gegeben, dann ist quasi alles andere (und damit auch die 3 km) unrelevant. Kann also H-C vollumfänglich zustimmen.

Hast du dem Finanzamt die Besonderheiten des Falles geschildert? Ich würde dem Einspruch stattgeben, sofern es tatsächlich 1 Stunde täglich bringt. Normalerweise sollten die Finanzamtler die Verkehrssituation in ihrem Sprengel kennen.

Wenn das Leben Dir Zitronen anbietet, frag nach Tequila und Salz und ruf' mich an!
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Bedanken Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
10.04.2008, 18:21
Beitrag: #8
RE: Umzugskosten
und noch ein Hinweis:
... der Weg zur Arbeitsstätte aber wegen insgesamt günstigere Verkehrsverhältnisse zusätzlich wesentlich erleichtert wird.
FG Rheinland-Pfalz 25.01.1995 EFG 1995 S. 515 rkr

Beträgt die Fahrzeitverkürzung weniger als eine Stunde so verlangt das FG R-P vom 14.05.197 EFG 1997 S. 1427 rkr. bei einem Umzug innerhalb einer Großstadt auch noch die Verkürzung der Entfernung zur Arbeitsstätte.
Also nicht einmal die 1h!

Eine berufliche Veranlsssung kann auch mit der Tätigkeit begründet werde.
So zum Beispiel muß ein Bundeswehroffizier möglichst Nahe am Standort wohnen.

mfg Dr. H.C. Freak Wink
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Bedanken Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
11.04.2008, 06:44
Beitrag: #9
RE: Umzugskosten
Hallo,

danke für den Einsatz.

Meine Datenbank hat mir an die hundert Urteile von BFH und FG ausgegeben. Dabei habe ich lediglich die Kopfzeilen registriert und bin zu einer Grenzwertigkeit in der Sache gekommen.

Das zuständige FA steht bei den Beratern auf einer roten Liste, weil die Zustände im FA und der Ausbildungsstand der Mitarbeiter ein wenig zu wünschen übrig lässt.
Daher wird das Einspruchsverfahren auch nicht so ganz einfach werden.

Der BFH hat in seinen Urteilen ab Ende der 80er Jahre immer darauf hingewiesen, dass es auf die Einzelumstände ankommt. Das gerade bei der Beurteilung solcher Sachverhalte eine wesentliche Verkürzung der Fahrtstrecke oder der Fahrtzeit nicht alleine zu betrachten ist. In einem Urteilsfall wurde dazu sogar ein Beispiel angeführt:

AN wohnt 500km vom Arbeitsort und zieht nun bis auf 100km an den Arbeitsort. Hier unstrittig Verkürzung.
AN wohnt 100km vom Arbeitsort und zieht nun bis auf 80km an den Arbeitsort. Hier hat der BFH verneint. Obwohl auch eine zeitliche Ersparnis von 15 min. erreicht wurde, sah der BFH insgesamt keine berufliche Veranlassung.

Würde der Arzt mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, dann würden die Umzugskosten vermutlich nicht anerkannt werden. Denn mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist die Fahrtzeit jetzt länger! (vorher war der Bahnhof sowohl am Wohnort als auch am Arbeitsort in 5min zu Fuß zu erreichen.). Allerdings wäre der Arzt dann völlig immobil, da es kaum eine Möglichkeit für ihn gäbe mit öffentlichen Verkehrsmitteln seinen Aufgaben außerhalb des Labors nachzukommen.

Auch wenn hier @Kiharu dem Einspruch wohl stattgeben würde, bin ich mir nicht so sicher, ob dies bei einem anderen FA auch so wäre. Vermutlich sind die Chancen 50:50 auf ein Klageverfahren. Das will der Arzt aber vermeiden, weil er dazu eigentlich keine Lust hat.

----------
Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch. -
George Bernard Shaw (1856-1950), Irischer Dramatiker und Satiriker
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Bedanken Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
11.04.2008, 08:01
Beitrag: #10
RE: Umzugskosten
Zitat:Auch wenn hier @Kiharu dem Einspruch wohl stattgeben würde, bin ich mir nicht so sicher, ob dies bei einem anderen FA auch so wäre. Vermutlich sind die Chancen 50:50 auf ein Klageverfahren. Das will der Arzt aber vermeiden, weil er dazu eigentlich keine Lust hat.

Also soweit ich mich erinnere, ist die BFH-Rechtsprechung ab 2001 mit einem Grundsatzurteil, welches auch in den LStR verankert ist, dazu übergangen, die berufliche Veranlassung ausschließlich anhand der einstündigen Fahrzeitverkürzung festzumachen. Selbst daneben vorliegende private Gründe für einen Umzug sind dann nicht mehr relevant. Deshalb würde mich die Rechtsprechung von vor 2001 nicht interessieren.

Wo ist das Problem, dass Du es nicht mal auf ein Einspruchsverfahren ankommen läßt? Eine weitere Person, welche den Fall zu würdigen hat, würde dem Einspruch eventuell stattgeben. Dein Mandant vergibt sich doch nichts im Einspruchsverfahren.

Wenn das Leben Dir Zitronen anbietet, frag nach Tequila und Salz und ruf' mich an!
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Bedanken Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Antwort schreiben 


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 8 Gast/Gäste

Kontakt | Forum | Nach oben | Zum Inhalt | Archiv-Modus | RSS-Synchronisation