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VA oder nicht?
20.06.2011, 18:03
Beitrag: #1
VA oder nicht?
Hallo,

brüte gerade über eine Frage und erbitte mir Hilfe bei der Beantwortung Rolleyes

Das Finanzamt teilt dem Stpfl. im Rahmen eines Schreibens mit, dass es sich bei der ausgeübten Tätigkeit um eine gewerbliche Tätigkeit handelt. Er sei verpflichtet, diese Tätigkeit bei der Gemeinde als Gewerbe anzumelden.

Darunter Rechtsbehelfsbelehrung

Frage:
Liegt hier ein Verwaltungsakt vor?

Ich bin hin und her gerissen, denn ich finde sowohl Argument dafür als auch dagegen. Vielleicht mag mir eine/r bei der Entscheidungsfindung helfen?

Wenn das Leben Dir Zitronen anbietet, frag nach Tequila und Salz und ruf' mich an!
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20.06.2011, 19:52
Beitrag: #2
RE: VA oder nicht?
Hallo,

ein Verwaltungsakt ist durch 5 Merkmale gekennzeichnet:

Maßnahme
Behörde
Einzelfallregelung
Hoheitliches Tätigwerden
Nach außen gerichtet.


Finanzamt ist Behörde und nur Behörden können einen Verwaltungsakt erlassen. Tatbestand erfüllt.

Einzelfallregelung ist hier gegeben, da außerhalb gesetzlicher Regelungen eine Entscheidung getroffen wird. Eine Einzelfallregelung fordert den Betreffenden zu einer Handlung auf. Tatbestand erfüllt.

Hoheitliches Tätigkwerden beinhaltet die Anwendung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Die liegen hier in Anwendung und Auslegung der Einkommensteuervorschriften. Auch dies ist erfüllt.

Da der Verwaltungsakt eine Behörde verlassen muss, was sie hier tut, ist auch der Punkt der Außenrichtung erfüllt.

Bleibt die Bestimmung als Maßnahme

Die wird aber im Wesentlichen dadurch bestimmt, dass ein positives Handeln zugrunde liegt. Hier handelt die Behörde, indem sie im Rahmen der rechtlichen Würdigung eine Entscheidung trifft und dies in der Folge zum Ausdruck bringt.


Was wurde hier entschieden?

Die Finanzverwaltung hat hier zu entscheiden in welche Einkunftsart bestimmte Einkünfte einzugruppieren sind. Das ist eine qualifizierte Entscheidung mit entsprechenden rechtlichen Folgen. Dies ist in der Konsequenz für den Empfänger auch als ein Akt der Verwaltung zu erkennen. Gegen die von der Verwaltung rechtlich bestimmte Maßnahme kann sich der Empfänger nur mit entsprechendem Rechtsmittel wehren. Denn ihm stehen im konkreten Beispielsfall durchaus alternative Auslegungsmöglichkeiten zur Verfügung, für die er sich rechtlich nicht einsetzen könnte, wenn ihm das Rechtsmittel versagt ist.

Für mich ist dies ein Verwaltungsakt, und nicht lediglich ein behördlicher Hinweis. Entsprechend bedarf es der vollständigen Forminhalte eines solchen.

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Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch. -
George Bernard Shaw (1856-1950), Irischer Dramatiker und Satiriker
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20.06.2011, 19:56
Beitrag: #3
RE: VA oder nicht?
Es könnte ein VA vorliegen, aber:

Das FA kann dem Stpfl. schon mal nicht auferlegen, sein Gewerbe beim Gewerbeamt anzumelden.
Deswegen kann man im Grifo ja auch steuern, ob der Gewinn an die IHK/HWK gemeldet wird.
Wogegen beschwert er sich denn jetzt ?

Bei der Beurteilung, ob gewerbliche Einkünfte vorliegen oder nicht, wird erst im EStB entschieden.
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20.06.2011, 20:39
Beitrag: #4
RE: VA oder nicht?
Wehren tut er sich gegen die Einstufung seiner Tätigkeit als gewerblich. Es gibt Rechtsprechung,dass eine klage gegen einen Einkommensteuerbescheid wegen der Qualifizierung der Einkünfte unzulässig mangels Beschwer ist. Dies kann man zulässig nur im Verfahren gegen den GewMB anfechten.

Ich persönlich tendiere zum Verwaltungsakt,jedoch sehe ich auch hier keine Beschwer, da sich aus diesem Schreiben keine Konsequenzen ergeben und die "richtige" Entscheidung erst im Rahmen des GewMB getroffen wird.

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20.06.2011, 22:19
Beitrag: #5
RE: VA oder nicht?
Formeller Feststellungs-VA; das FA nicht ermächtigt zu erlassen ändert nichts an VA Eigenschaft. R'behelfbefugnis (+); Frage ist ja, ob Bindungswirkung für Veranlagung vorliegt!
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21.06.2011, 18:49
Beitrag: #6
RE: VA oder nicht?
Sehe die Sache eher wie Petz!

Wenn tatsächlich eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt, handelt es sich letztendlich nur um den Hinweis auf eine gesetzliche Pflicht.

Da die Qualifizierung der Einkünfte im jeden VZ neu geprüft und daher auch geändert werden kann, kann kaum eine Bindungswirkung dieses "VA" vorliegen.

Auch wenn auf grund des Freibetrages ein GewStMB mit 0 ¤ festgesetzt wird, kann es m.E.n. durch den IHK/HWK bereits zur Festsetzung von Kammerbeiträgen kommen, so dass eine Beschwer außerhalb des Steuerrechtes kommt!

taxpert

Nehmt das Leben nicht so ernst. Man kommt sowieso nicht lebend raus!!!!

"Yeah, I'm the taxman
And you're working for no one but me"
(The Beatles, Taxman, Revolver)
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21.06.2011, 21:04
Beitrag: #7
RE: VA oder nicht?
Es handelt sich mE um einen VA, vgl Rspr BverwG und BSG:

"Die Anfechtungsklage ist statthaft, wenn der Kläger vom Gericht die Aufhebung einer behördlichen Maßnahme begehrt, die sich dem sog objektiven Adressaten als Verwaltungsakt darstellt (sog formeller Verwaltungsakt). Nicht entscheidend ist, ob diese Erklärung inhaltlich wirklich die Kriterien des Verwaltungsaktbegriffs erfüllt, also auch materiell ein Verwaltungsakt ist, auch nicht, ob ggf. dieser unwirksam ist (sog nichtiger Verwaltungsakt). Daher reicht für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage zwar aus, dass die Maßnahme einen materiellen Verwaltungsakt verlautbart (hinreichende, aber keine notwendige Bedingung). Notwendig für die Gegebenheit der Anfechtungsklage ist aber nur, dass die Erklärung, die grundsätzlich formfrei ergeht (§ 33 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ), dem sog objektiven Adressaten den Eindruck vermittelt, sie verlautbare einen materiellen Verwaltungsakt, unabhängig davon, ob dies wirklich der Fall ist (BVerwGE 18, 1, 5; stRspr)."

BSG v. 5.9.06

In die gleiche Richtung schon der BFH vor Urzeiten:

"3. Diesen Grundsätzen entspricht die angefochtene Widerrufsverfügung nicht. Sie kann deshalb auch nicht - wie es das FG getan hat - als ein Bescheid über eine Abgabenvergünstigung gewertet werden, auf deren Gewährung oder Belassung ein Rechtsanspruch besteht (§ 229 Nr 6 AO). Die Verfügung vom 30. Oktober 1972 ist zwar ein formeller Steuerverwaltungsakt und daher anfechtbar, ist aber nach ihrem materiellen Gehalt unzulässig. Sie kann nicht als eine Entscheidung über die Gemeinnützigkeit des Klägers angesehen werden, die in einem Veranlagungsverfahren für eine bestimmte Steuer und einen bestimmten Steuerabschnitt ergangen ist. Das folgt aus Form, Inhalt und Wortlaut. "


BFH v. 13.12.78 - I R 77/76, BStBl II 1979, 481
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21.06.2011, 21:13
Beitrag: #8
RE: VA oder nicht?
Hallo,

Ob die Finanzverwaltung hier rechtens handelt oder nicht, spielt aus Sicht des Steuerpflichtigen keine Rolle. Bei ihm kommt es alleine darauf an, ob er in gutem Glauben einen Verwaltungsakt erhält oder nicht (Außenwirkung). Und inhaltlich ist das Schreiben hinreichend bestimmt, so dass ein Außenstehender zwangsläufig davon ausgehen muss, das er es hier mit einer Einzelfallregelung zu tun hat (seine persönlichen Steuern) und nicht mit einer allgemeingültigen gesetzlichen Norm.

Fakt ist, dass die Finanzverwaltung bereits vor dem steuerlichen Veranlagungsverfahren eine rechtliche Beurteilung abgibt. Und diese Beurteilung hat Konsequenzen für den Steuerpflichtigen. Die Verwaltung ist nicht berechtigt und nicht befugt vor dem steuerlichen Veranlagungsverfahren eine rechtliche Beurteilung abzugeben, soweit sie nicht explizit vom Steuerpflichtigen dazu angerufen wurde. Und auch die Anrufung ist nicht zwingend bindend.

Anhand welcher Tatsachen will denn der zuständige Sachbearbeiter hier im Vorfeld eine solch folgenschwere Urteilsfindung vornehmen?

Wenn dem Steuerpflichtigen das Rechtsbehelfsverfahren nur nach abschließender Veranlagung gestattet ist, so kann der Verwaltung im Vorfeld auch keine rechtliche Beurteilung erlaubt sein, die, in meinen Augen, einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und die unternehmerische Freiheit des Steuerpflichtigen darstellt.

Die Verwaltung kann bestenfalls im Vorfeld eine Meinungsäußerung abgeben, muss dies aber in ausreichender Form kenntlich machen und kann dann, im Veranlagungsverfahren die rechtliche Würdigung vornehmen und dies ausreichend begründen.
Nur weil hier Meinungen aufeinandertreffen, geltendes Recht allerdings nicht verletzt wird, hat die Verwaltung kein Recht Maßnahmen einzuleiten, die den Steuerpflichtigen durch die Maßnahme der Verwaltung oder auslösend durch die Verwaltung, durch Maßnahmen Dritter in seinen Rechten beschränkt.

Außerdem wäre der Steuerpflichte vor einer solchen Maßnahme auch zwingend anzuhören.

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21.06.2011, 21:39
Beitrag: #9
RE: VA oder nicht?
Genau so seh ich das!
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22.06.2011, 14:49
Beitrag: #10
RE: VA oder nicht?
Und weil auch ich überzeugt davon bin/wurde, dass hier ein VA vorliegt, wurde dieser jetzt aufgehoben und dem Stpfl. mitgteilt, dass über die Qualifizierung der Einkünfte bindend erst im Rahmen einer eventuellen GewMB-Festsetzung entschieden wird.

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