Übergang Anrechnung zu HEK
Hallo,
Das BVerfG hat heute veröffentlicht dass die Regelungen zum Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren und das damit verbundene zu bildende Körperschaftsteuerguthaben sind verfassungswidrig.
Zitat:Die Umgliederung des Körperschaftsteuerguthabens aus dem Übergang zum Halbeinkünfteverfahren im Jahr 2001 ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar. Diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) heute veröffentlicht. Wir informieren über die Hintergründe und die Auswirkungen.
Aus dem Beschluss des BVerfG ergibt sich, dass der Gesetzgeber spätestens mit Wirkung zum 1.1.2011 für die noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren eine Neuregelung treffen muss, die den Erhalt des im Zeitpunkt des Systemwechsels vorhandenen und realisierbaren Körperschaftsteuerminderungspotenzials gleichheitsgerecht sicherstellt.
Der Hintergrund
Zwischen 1977 und 2000 sah das Körperschaftsteueranrechnungsverfahren (§§ 27 ff. KStG a.F. auf der Ebene der Kapitalgesellschaft zwei Steuersätze für einbehaltene Gewinne von 40 % und für ausgeschüttete Gewinne von auf 30 % vor. Dann bekam die Körperschaft den Differenzbetrag erstattet.
Durch diesen gespaltenen Körperschaftsteuersatz entstand bei Gewinnthesaurierung bis zum Zeitpunkt der Ausschüttung ein Körperschaftsteuerminderungspotenzial als Vermögenswert. Dieses mussten die Körperschaften - bedingt durch Änderungen des Tarifs - zu unterschiedlichen Teilbeträgen in einer EK-Gliederungsrechnung abbilden.
Auf der Ebene der Anteilseigner wurde die Gewinnausschüttung mit deren persönlichem Steuersatz belastet, zugleich aber die von dem Unternehmen hierauf gezahlte Körperschaftsteuer angerechnet.
Der 2001 vollzogenen Wechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren führte dazu, dass auf der Ebene der Gesellschaft für einbehaltene und ausgeschüttete Gewinne nur noch eine einheitliche und endgültige Körperschaftsteuer i. H. v. 25 % erhoben und auf der Ebene des Anteilseigners bei natürlichen Personen der ausgeschüttete Kapitalertrag nur zur Hälfte versteuert wurde.
Beim Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren mussten die unterschiedlich mit Körperschaftsteuer belasteten Teilbeträge des Eigenkapitals gem. §§ 36 - 40 KStG zusammenfasst und umgliedert werden. Das zuvor vorhandene Körperschaftsteuerminderungspotenzial wurde dabei aus Vereinfachungsgründen in ein einheitliches Körperschaftsteuerguthaben umgewandelt, das während einer Übergangszeit von ursprünglich 15 Jahren schrittweise abgebaut werden konnte. Dies sollte sicherstellen, dass das unter Geltung des Anrechnungsverfahrens entstandene Körperschaftsteuerminderungspotenzial im Ergebnis erhalten blieb und auch noch nach dem Systemwechsel verwertet werden konnte.
Hinweis: Das noch aus dem Übergang zum Halbeinkünfteverfahren verbliebene und zwischenzeitlich eingefrorene Körperschaftsteuerguthaben von 2006 wird jetzt über einen Zeitraum von 2008 bis 2017 gleichmäßig verteilt in 10 unverzinsten Raten ausbezahlt. Die Erstattung fällt jeweils Ende September eines Jahres zu 1/10 und erstmals 2008 an. In Bagatellfällen wurde der Gesamtbetrag in einer Summe ausgezahlt werden, wenn der Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens nicht mehr als 1.000 EUR betragen hatte (§ 37 Abs. 5 Satz 6 KStG, BMF, Schreiben v. 21.7.2008, IV C 7 - S 2861/07/10001).
Der entschiedene Fall
Bei einer Aktiengesellschaft führte diese Umgliederung zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial i. H. v. rund 0,5 Mio. EUR. Der BFH (Urteil v. 31.5.2005, I R 107/04, BStBl 2005 II S. 884) hatte noch argumentiert, dass die von der Umstellung bedrohten Unternehmen einem Verlust ihres Körperschaftsteuerminderungspotenzials durch entsprechende rechtzeitige steuerliche Gestaltungsmaßnahmen hätten entgehen können. Daher habe der Gesetzgeber sich noch im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit gehalten.
Dem widerspricht das BVerfG und hält die für die Umgliederung einschlägige Regelung des § 36 Abs. 3 und 4 KStG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar. Daher wird dem Gesetzgeber aufgegeben,
• spätestens mit Wirkung zum 1.1.2011 für die noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren eine Neuregelung zu treffen und
• den Erhalt des im Zeitpunkt des Systemwechsels vorhandenen und realisierbaren Körperschaftsteuerminderungspotenzials gleichheitsgerecht sicherzustellen.
Das BVerfG begründet seine Entscheidung damit, dass es beim Wechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren durch die Umgliederungsregelungen zu einer ungleichen Körperschaftsteuerbelastung zwischen Kapitalgesellschaften mit vollem Erhalt des Minderungspotenzials (Regelfall) und solchen Gesellschaften mit erheblichen Verlusten gekommen war. Dafür gibt es keinen sachlichen Grund, auch wenn der Gesetzgeber mit der Umgliederung das legitime Ziel eines einfachen und zügigen Systemwechsels verfolgt hatte.
Dieses Ziele wäre jedoch auch mit einer schonenderen Ausgestaltung der Übergangsvorschriften erreichbar gewesen, indem das Körperschaftsteuerguthaben unmittelbar aus den zum Stichtag vorhandenen Teilbeträgen des mit Körperschaftsteuer belasteten Eigenkapitals gebildet worden wäre, ohne zuvor zwischen unterschiedlich belasteten Teilbeträgen zu differenzieren. Dadurch wäre das in der Übergangszeit vorhandene Körperschaftsteuerguthaben ungeschmälert in das neue Recht überführt, die beabsichtigte Vereinfachung nicht beeinträchtigt und die Zügigkeit des Systemwechsels nicht infrage gestellt worden.
Vor der Systemumstellung gab es die legalen Ausweichmöglichkeiten in Gestalt des "Schütt-aus-Leg-ein-Verfahrens" oder des "Leg-ein-Hol-zurück-Verfahrens". Diese Optionen rechtfertigen aber keinen durch die Umgliederungsvorschriften angelegten Gleichheitsverstoß. Denn die betroffenen Gesellschaften müssen nicht reagieren, wenn dem Gesetzgeber selbst ohne Weiteres eine günstigere Gestaltung möglich gewesen wäre - die er nicht genutzt hat.
Kein Argument ist, dass das anschließende Halbeinkünfteverfahren per Saldo zu einer geringeren Belastung von Gesellschaft und Gesellschafter insgesamt führte. Denn diese Vorteile kommen allen Unternehmern und Anteilseignern in gleicher Weise zugute, während die Verluste an Körperschaftsteuerminderungspotenzial nur eine bestimmte Gruppe von ihnen betreffen.
Tipp: Da der Gesetzgeber spätestens mit Wirkung ab Neujahr 2011 für die noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren eine Neuregelung finden muss, die den Erhalt des im Zeitpunkt des Systemwechsels vorhandenen und realisierbaren Körperschaftsteuerminderungspotenzials gleichheitsgerecht sicherstellt, sollten betreffende Kaptalgesellschaften mit entfallenem Körperschaftsteuerminderungspotenzial ihre in Frage kommenden Bescheide sichten und bis dahin weiterhin offen halten.
Beschluss v. 17.11.2009, 1 BvR 2192/05 , veröffentlicht am 19.2.2010
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Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch. -
George Bernard Shaw (1856-1950), Irischer Dramatiker und Satiriker
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