"Dauerend getrennt lebend" - stimmt aber nicht
|
30.06.2011, 11:39
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 30.06.2011 11:47 von tinka1601.)
Beitrag: #1
|
|||
|
|||
"Dauerend getrennt lebend" - stimmt aber nicht
Liebe Kollegen,
ein Mandant kam gestern und erklärte in gebrochenem deutsch, dass er seit Mitte November von seiner Frau getrennt ist. Die gute Dame hat dann direkt die getrennte Zusammenveranlagung beantragt und behauptet, sie lebe seit diesem Zeitpunkt von meinem Mandanten "dauerhaft getrennt", obwohl sie damals sogar noch mit ihm in einer Wohnung gelebt hat (bis Feb. 2011). Das Finanzamt hat ihn daher aufgefordert, seine Steuerklasse unverzüglich zu wechseln, was er auch getan hat. Er hat nun Steuerklasse 1, hat entsprechend seine Steuererklärung abgegeben und kann nun defitig nachzahlen. Kriegt man es irgendwie rückwirkend noch hin, dass zusammenveranlagt wird? Im Trennungsjahr hätte er doch definitiv einen Anspruch darauf gehabt. Da er aber dachte, dass die Aufforderung des FA , die Steuerklasse zu wechseln und dementsprechend die Steuererklärung einzureichen, in Ordnung sei, hat er das auch so gemacht. Würde mir ein Einspruch überhaupt noch helfen? (Bescheid ist vorläufig erlassen worden - steht aber nicht unter dem Vorbe. der Nachprüfung) Oder wende ich mich da am besten direkt an die Ehefrau? Der Witz ist allerdings noch, dass man ihn unter der alten gemeinsamen Steuernummer aufgefordert hat, nun endlich seine Steuererklärung abzugeben. Lieben Dank!!! |
|||
30.06.2011, 12:08
Beitrag: #2
|
|||
|
|||
RE: "Dauerend getrennt lebend" - stimmt aber nicht
Und Sie sind sicher, dass Sie im Bereich der Steuerberatung gut aufgehoben sind?
Nehmen Sie es nicht persönlich, aber hier fehlen schon die Basics. Wenn jemand in einem Steuerforum für Otto-Normal-Verbraucher eine solche Frage stellen würde, dann wäre das verständlich. Das hier ist allerdings ein Fachforum. Für alle anderen: Bevor hier große Entrüstungsstürme ausbrechen, wie ich nur sowas schreiben kann, hier die Erklärung. In meinem Job erlebe ich es Tag für Tag, was passieren kann, wenn Rechtsanwälte sich in Steuerberatung versuchen. In vielen Fällen profitiert nur einer: Der Rechtsanwalt! Da fehlen grundlegende Kenntnisse im Verfahrensrecht und das rächt sich für den Mandanten (der in Regel davon nix weiss) ganz bitterlich. Auch wenn Tinka am Anfang ihrer beruflichen Karriere steht und daher auf jeden Mandanten angewiesen ist, so sollte man sich der Grenzen seiner Fähigkeiten durchaus bewusst sein. Alles andere kann sich zum teuren Spass für die Haftpflichtversicherung entwickeln. Wenn das Leben Dir Zitronen anbietet, frag nach Tequila und Salz und ruf' mich an! |
|||
30.06.2011, 12:15
Beitrag: #3
|
|||
|
|||
RE: "Dauerend getrennt lebend" - stimmt aber nicht
Die drei Voraussetzungen für eine Ehegattenveranlagung müssen an mindestens einem Tag im Jahr vorgelegen haben:
1. beide sind miteinander verheiratet 2. sie leben nicht dauernd getrennt voneinander 3. beide sind unbeschränkt steuerpflichtig Wenn die sich Mitte November getrennt haben, dann ist für 2010 zwingend die Ehegattenveranlagung durchzuführen. Das kann die getrennte oder die Zusammenveranlagung sein. Die getrennte Veranlagung wird durchgeführt, wenn mindestens einer der Ehegatten dies beantragt. Dies ist hier ja wohl durch die Abgabe der Steuererklärung durch die Ehefrau geschehen. Der Ehemann hat dann höchstens einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen die Frau. Sinnvoller ist es aber, hier die Zusammenveranlagung noch durchführen zu lassen. Also Einspruch einlegen, AdV und Zusammenveranlagung beantragen und jut is. Das "dauernd getrennt leben" im steuerlichen Sinne ist keine räumliche Trennung, sondern eine innere Einstellung der Ehepartner. Das geht durchaus auch in einer gemeinsamen Wohnung. Das Finanzamt wird dem Vortrag der Leute sicherlich folgen. Ab 2011 erfolgt dann jeweils die Einzelveranlagung. Die Vorläufigkeit des Bescheides bezieht sich nur auf die im Erläuterungsteil angegebenen Punkte, wirkt also nur punktuell. Ohne Einspruch (oder Antrag auf Änderung) wird der Bescheid bestandskräftig. ® |
|||
30.06.2011, 13:00
Beitrag: #4
|
|||
|
|||
RE: "Dauerend getrennt lebend" - stimmt aber nicht
Tja ja.. wie ich die Fachanwaltsklausuren überstanden habe, ist mir auch ein Rätsel
Da hier von Seiten des FA auch einiges durcheinander geschmissen wurde, war jetzt eigentlich nur die Frage, welches die sinnigere der beiden bekannten Alternative ist. Vor allem, da mein Mandant nach Aufforderung des FA selbst die Steuerklasse hat ändern lassen - jetzt hat er nicht lediglich für 2011 StKL. 1 sondern rückwirkend bereits für das ganze Jahr 2010. Meines begrenzten Wissens nach, muss man den Steuerklassenwechsel doch erst für das Jahr vornehmen, welches auf die Trennung folgt. Trennung Nov, 2010 - also Steuerklassenwechsel ab 01.01.2011 |
|||
30.06.2011, 13:06
Beitrag: #5
|
|||
|
|||
RE: "Dauerend getrennt lebend" - stimmt aber nicht
Dann hat er meinetwegen für 2010 eine unzutreffende Steuerklasse (im Übrigen auch nicht rückwirkend). Die Steuerklasse regelt doch nur die Höhe des Steuerabzugs vom Arbeitslohn. Die hat mit der Veranlagungsart nichts zu tun und schon gar nicht mit der endgültig festgesetzten Steuer.
Was nun aber sinnvoller ist, richtet sich a) nach den konkreten Zahlen b) nach dem Verhältnis der beiden Eheleute zueinander. Einspruch würde ich auf jeden Fall einlegen. ® |
|||
30.06.2011, 14:03
Beitrag: #6
|
|||
|
|||
RE: "Dauerend getrennt lebend" - stimmt aber nicht
tinka1601 schrieb:Vor allem, da mein Mandant nach Aufforderung des FA selbst die Steuerklasse hat ändern lassen - jetzt hat er nicht lediglich für 2011 StKL. 1 sondern rückwirkend bereits für das ganze Jahr 2010.Eigentlich sollte man, wenn man sich im Steuerfach tummelt, wissen, dass eine Steuerkarte nur für die Zukunft geändert wird. Zitat:Der Witz ist allerdings noch, dass man ihn unter der alten gemeinsamen Steuernummer aufgefordert hat, nun endlich seine Steuererklärung abzugeben.Und was ist daran so witzig? Wenn eine Datenbank nicht 100%-ig gepflegt wird (und wer arbeitet schon mit 100%-iger Genauigkeit?), passiert so etwas halt mal - bei ein paar Millionen Fällen, die die FÄ jährlich bearbeiten. Das habe ich bestimmt jährlich 3 - 4 mal. Zitat:war jetzt eigentlich nur die Frage, welches die sinnigere der beiden bekannten Alternative istWieso? Es gibt doch nur EINE wirklich sinnige Lösung - die mit der geringsten Steuerbelastung. Das musst Du ausrechnen. Und vermutlich braucht der Mandant dafür die Unterschrift seiner zukünftigen Ex-Frau. |
|||
30.06.2011, 14:27
Beitrag: #7
|
|||
|
|||
RE: "Dauerend getrennt lebend" - stimmt aber nicht
tosch schrieb:Es gibt doch nur EINE wirklich sinnige Lösung - die mit der geringsten Steuerbelastung. Es gibt Leute, die lieber eine höhere Steuer in Kauf nehmen, anstatt den anderen in die eigenen Verhältnisse gucken zu lassen. Gerade beim Thema Ehegattenunterhalt kann ich mir solch eine Konstellation vorstellen. ® |
|||
|
Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste