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Keine Haftung für SV-Schulden Betriebsvorgänger
24.09.2008, 11:27
Beitrag: #1
Keine Haftung für SV-Schulden Betriebsvorgänger
Hallo,

Bin auf ein bemerkenswertes Urteil gestossen, wonach der Rechtsnachfolger eines übernommenen Unternehmens die SV-Beiträge des Rechtsvorgängers nicht nach § 25 HGB schuldet und mangels gesetzlicher Norm auch nicht anderweitig schuldet.

Zitat:LSG Rheinland-Pfalz 13.08.2008, L 4 R 366/07

Firmenübernehmer haften nicht für rückständige Sozialversicherungsbeiträge der Vorgänger

Wer eine Firma übernimmt, kann nicht auf Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Anspruch genommen werden, die sein Vorgänger in der Vergangenheit nicht entrichtet hat. Es fehlt an einer gesetzlichen Grundlage für die Inanspruchnahme des Firmennachfolgers. Rechtsgrundlage hierfür ist insbesondere nicht § 25 HGB, weil diese Vorschrift nur für Geschäftsverbindlichkeiten und damit für zivilrechtliche Ansprüche gilt.

Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte zum 01.01.2002 das Einzelhandelsgeschäft seiner Mutter übernommen. Er erhielt nach der Gewerbeneuanmeldung eine neue Betriebsnummer und von der AOK eine neue Arbeitgeberkontonummer. Ende 2003 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung beim Kläger durch und kam dabei zu dem Ergebnis, dass in der Zeit vom 01.01.1999 bis zum 31.12.2000 wegen untertariflicher Entlohnung der Arbeitnehmer zu wenig Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden waren. Sie nahm den Kläger auf Zahlung dieser Beiträge in Höhe von insgesamt rund 3.500 Euro in Anspruch.

Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Kläger geltend, dass er nicht für die von seiner Mutter nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge hafte. Das SG wies die Klage ab. Es war der Auffassung, dass eine Einstandspflicht des Klägers aus § 25 HGB folge. Auf die Berufung des Klägers hob das LSG diese Entscheidung auf und gab der Klage statt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache ließ das Gericht allerdings die Revision zum BSG zu.

Die Gründe:
Die Beklagte kann den Kläger nicht auf Nachzahlung der Sozialversicherungsbeiträge in Anspruch nehmen, die seine Mutter als Firmenvorgängerin nicht entrichtet hat. Es fehlt an der erforderlichen gesetzlichen Rechtsgrundlage für einen Übergang der Zahlungsverpflichtung auf den Kläger.

Rechtsgrundlage für eine Inanspruchnahme des Klägers ist insbesondere nicht § 25 HGB, wonach bei einer Firmenfortführung der neue Inhaber für alle im Betrieb des früheren Inhabers begründeten Geschäftsverbindlichkeiten haftet.

Geschäftsverbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten, die mit dem Betrieb des Geschäfts in innerem Zusammenhang stehen, so dass sie als seine natürliche Folge erscheinen. Aus der Wortwahl in § 25 HGB („Schuldner“, „Forderung“) ergibt sich zudem, dass die Vorschrift im Grundsatz lediglich zivilrechtliche Ansprüche erfasst. Etwas anderes gilt nur, wenn Vorschriften aus dem nicht-zivilrechtlichen Bereich, wie etwa § 75 Abs.1 S.1 AO für Steuern und Abgaben, ausdrücklich auf § 25 HGB verweisen.

Im Streitfall geht es weder um zivilrechtliche Ansprüche noch existiert für öffentlich-rechtliche Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung eine mit § 75 Abs.1 S.1 AO vergleichbare Regelung zum Forderungsübergang. Da auch weitere Anspruchsnormen nicht ersichtlich sind, kann die Beklagte ihre Ansprüche nur gegen die frühere Firmeninhaberin geltend machen.

Linkhinweis:

* Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage der Justiz Rheinland-Pfalz veröffentlicht.

Ich hoffe der Link funktioniert. Falls da noch ein Infofenster "Justiz Rheinland-Pfalz" auftaucht, einfach auf o.k. drücken und dann müsste es weiter gehen.

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Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch. -
George Bernard Shaw (1856-1950), Irischer Dramatiker und Satiriker
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24.09.2008, 11:44
Beitrag: #2
RE: Keine Haftung für SV-Schulden Betriebsvorgänger
Interessant: Hopt schreibt im Beck'schen Kurzkommentar zu § 25 HGB, Rn. 11 "Der Erwerber haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten, einerlei aus welchem Rechtsgrund, ob Vertrag, Delikt oder sonst aus Gesetz; auch Steuerschulden (§ 75 AO);". Dass muss dann wohl nicht mehr gelten. Interessante herangehensweise, § 25 HGB wegen Verortung im HGB als rein zivilrechtliche Haftungsnorm zu verstehen, obwohl es doch um Geschäftsverbindlichkeiten des fortgeführten Handelsgeschäfts geht. Nunja, das BSG wirds wohl richten.
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