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Normale Version: SV-Pflicht bei Familien-GmbH
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Hallo,

die Landessozialgerichte scheinen sich auf Kriegsfuß mit den Bundesgerichten zu befinden. Anders kann ich mir das alles auch nicht erklären.

Hier nun ein Urteil zu einer mit 10 Prozent am Unternehmen beteiligten Gesellschafterin, der die SV-Freiheit wegen einer Arbeitnehmerstellung nicht anerkannt wurde.

Für mich das schlimme daran ist, dass steuerrechtlich eine solche Konstellation als gleichgerichtete Interessen unter Eheleuten ausgelegt wird und hier die mangelnde Mitsprache- und Entscheidungsbefugnis versagt wird.
Deutsches Recht ist äußerst spaßig.

Zitat:SV-Pflicht bei Familien-GmbH: LSG-Urteil lässt aufhorchen

Der Urteilsdschungel wegen der SV-Pflicht bei Familien-GmbH ist um eine Variante reicher: Ein neues LSG-Urteil widerspricht sogar einem BSG-Urteil.

Das Familienunternehmen, eine GmbH der Eheleute, wurde 1978 gegründet. Die Ehefrau ist mit 10 % an der GmbH beteiligt, als kaufmännische Leiterin der GmbH beschäftigt und zur Sozialversicherung angemeldet. Ihr Ehemann ist zu 90 % an der GmbH beteiligt und als deren Geschäftsführer tätig. Nach fast 30 Jahren beantragte die GmbH die Feststellung, dass die Ehefrau seit 1978 selbstständig tätig ist und nicht der Versicherungspflicht unterliegt. Die Ehefrau habe ein erhebliches unternehmerisches Risiko getragen, da sie u.a. Bürgschaften übernommen habe. Die beklagte Einzugsstelle (Krankenkasse) bestand jedoch auf der Versicherungspflicht.

Klage beim LSG Baden-Württemberg: Kein Erfolg für die Klägerin

Die Klage hatte vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) keinen Erfolg (Urteil v. 15.08.2008, L 4 KR 4577/06). Maßgebend für die Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit als Unternehmer seien – auch bei Familienunternehmen – die Umstände des Einzelfalls. Die Ehefrau sei seit 1978 abhängig beschäftigt und unterliege deshalb der Versicherungspflicht in Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Bei einem Kapitalanteil von 10 % sei im Regelfall ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis anzunehmen. Die Ehefrau habe auch Weisungen des Geschäftsführers bzw. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung nicht verhindern können. Soweit sich die GmbH darauf berufe, der vorliegende Arbeitsvertrag sei allein aus steuerrechtlichen Gründen geschlossen und "nicht gelebt" worden, könne dies nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Der Arbeitsvertrag könne nicht so ausgelegt werden, wie dies dem Betroffenen jeweils günstig sei (keine Individualnützlichkeit; so auch BSG v. 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R). Es sei von einem Gleichklang steuerlich und sozialrechtlich wirkender Vereinbarungen auszugehen. Aus der familiären Verbundenheit der Eheleute folge nichts anderes.

Einzelfall-Falle: Niemand sollte sich sicher fühlen

In einem vergleichbaren Fall ist auch schon anders entschieden worden. Beschäftigte in Familiengesellschaften könnten selbständig tätig sein, weil die Verbundenheit zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführer ein Gefühl erhöhter Verantwortung füreinander schaffen und einen Einklang der Interessen bewirken könne (so BSG v. 14.12.1999, B 2 U 48/98 R).

Obligatorisches Statusfeststellungsverfahren: Zeitnahe Klärung

Inzwischen ist für solche Fälle das sog. obligatorische Statusfeststellungsverfahren eingeführt worden (§ 28a III 2 Nr. 1d SGB IV). Danach müssen die Meldungen der Arbeitgeber die Angabe enthalten, ob es sich bei den Beschäftigten um Ehegatten, Lebenspartner oder (seit 1.1.2008) auch Abkömmling handelt. Die Einzugsstellen haben zeitnah nach der Anmeldung zur Sozialversicherung verbindlich zu entscheiden, ob Versicherungspflicht besteht. Fälle mit einer rückwirkenden Klärung über viele Jahre hinweg sollten damit der Vergangenheit angehören. Ansonsten gilt:

Eine 30 Jahre zurückwirkende Feststellung der Versicherungsfreiheit ist zwar möglich, bringt dem Versicherten wirtschaftlich aber nur Vorteile, soweit ein Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge besteht (§ 26 Abs. 2 SGB IV). Dies ist nur möglich, wenn der Träger noch keine Leistungen zu erbringen hatte. Der Beitragserstattungsanspruch verjährt vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs der Zahlung (§ 27 Abs. 2 SGB IV). In der Rentenversicherung gelten allerdings Abweichungen. Dort wird die Vier-Jahres-Frist gehemmt, wenn ein Beitrags- oder Rentenverfahren durchgeführt wird. Sie kann sich dadurch theoretisch auf bis zu 30 Jahre verlängern (§§ 198 S. 2 SGB VI, 27 Abs. 2 SGB IV).

Fazit: Klärung liegt im Interesse der Betroffenen

Betroffene sollten sich im eigenen Interesse möglichst frühzeitig um eine sozialversicherungsrechtliche Statusklärung bemühen, soweit nicht ohnehin bereits ein obligatorisches Statusfeststellungsverfahren in die Wege geleitet wurde. Denn unangenehme Überraschungen nach vielen Jahren, so wie im vorliegenden Fall, sollten weder im Interesse der Familienbetriebe, noch im Interesse der Sozialversicherungsträger liegen.
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