Steuerberater

Normale Version: Sanierungsgewinn nach Restschuldbefreiung
Sie sehen gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.
Mal wieder was nicht ganz Alltägliches. Mich würde interessieren, ob es dazu praktische Erfahrungen gibt. Ich stelle es mal unter AO, da es im Kern um eine Billigkeitsmaßnahme geht.

Folgender Fall:

Einzelunternehmer geht im Jahr 2004 wegen Zahlungsunfähigkeit in Insolvenz. Insolvenzverwalter macht in kürzester Zeit mit für ihn minimalem Aufwand alles platt. Außerdem wurde die Fibu direkt vor der Insolvenz nicht mehr vollständig erstellt. Sprich: Es sind allenfalls rudimentäre Informationen über den genauen Stand der betrieblichen Verbindlichkeiten, die in die Insolvenz reingelaufen sind, zu erhalten (höchstens näherungsweise anhand der angemeldeten Forderungen zu ermitteln).

Der frühere Einzelunternehmer baut sich jedoch in den Folgejahren ein neues Unternehmen, also eine neue Existenz auf. Sprich, er hat jemand gefunden, der ihm eine GmbH zur Verfügung stellt, in der er als Fremdgeschäftsführer weitgehend frei agieren kann, ohne dass der Gesellschafter ihm reinredet. Das ganze funktioniert auch erfolgreich.

Jetzt der Punkt: 2010 wird die Restschuldbefreiung erteilt, die auch die ehemaligen Betriebschulden, die nicht befriedigt wurden, betrifft.

Hierin liegt so etwas wie ein Sanierungsgewinn, der grundsätzlich steuerpflichtig ist, aber erst im Zeitpunkt der Restschuldbefreiung realisiert wird (siehe dazu BMF-Schreiben vom 22.12.2009 oder auch OFD Nidersachsen vom 29.09.2010).

Danach seien auf einen Gewinn aus einer Restschuldbefreiung die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 27.03.2003 zu Billigkeitsmaßnahmen für Sanierungsgewinne entsprechend anzuwenden, mit Ausnahme des dort formulierten Ausschlusses für eine so genannte unternehmerbezogene Sanierung.

Mir ist jetzt die konkrete Anwendung des BMF-Schreibens auf den Fall nicht klar, die da letztlich aussagt, dass vom Sanierungsgewinn negative Einkünfte runterzurechnen sind (auch ggf. ein Rücktrag aus dem Folgejahr) und nur auf den Rest im Ergebnis eine Billigkeitserlass erfolgen soll.

In meinem Fall gab es in der Tat einen Verlust, ich glaube im Jahr 2004, den das FA auch festgestellt hat (Größenordnung so um die 50 TEUR).

Abgesehen von der Frage, ob sich überhaupt irgendjemand um einen etwaigen Sanierungsgewinn kümmert und ob der halbwegs zutreffend ermittelt werden kann:

Wie sollte das hier behandelt werden? Da lt. BMF keine Rückwirkung durch die Restschuldbefreiung, würde der Gewinn in 2010 reingehören. Da hier nichts mehr mit Verlustverrechnung ist: Hieße das, die darauf entfallende Steuer wäre vollständig zu erlassen (bzw. aus Billigkeitsgründen hierauf nicht festzusetzen)?

Oder müssten die früheren Verlustverrechnungen für die Berechnung der zu erlassenden Steuer vom Gewinn heruntergerechnet werden, dass im Ergebnis nunmehr doch eine (ggf. anteilige) Besteuerung des Gewinns erfolgt?
Hallo,

dazu ein Auszug aus einem Aufsatz eines RA für Insolvenzrecht (die Quelle müsste ich suchen)

Zitat:Mit BMF-Schreiben vom 22.12.2009 wurde nunmehr auch die unternehmerbezogene Restschuldbefreiung von dieser Regelung umfasst. Damit hat das BMF anerkannt, dass ansonsten ein Zielkonflikt zwischen dem Insolvenz- und dem Steuerrecht entsteht: Während zivilrechtliche Schulden von der Restschuldbfreiung erfasst werden, entstünde aus dieser Befreiung ein steuerpflichtiger Sanierungsgewinn, der nicht durch Billigkeitsmaßnahmen – d.h. Gerechtigkeit im Einzelfall – wie Erlass und abweichende Steuerfestsetzung - kompensiert werden könnte.

Jetzt gilt:

* Der Verlustvortrag aus der Zeit vor der Insolvenz ist mit positiven Einkünften des Schuldners aus der Laufzeit des Insolvenzverfahren zu verrechnen. Achtung: Steuererstattungen des Schuldners, die sich daraus ergeben, unterliegen unter bestimmten Voraussetzungen dem Zugriff des Insolvenzverwalters und damit der Gläubiger oder der Möglichkeit des Finanzamtes zur Aufrechnung mit Steuerschulden.
* Der Sanierungsgewinn aus der Restschuldbefreiung ist zunächst mit dann noch bestehenden Verlustvorträgen zu verrechnen.
* Bleibt danach noch ein Sanierungsgewinn, kann dieser auf Antrag erlassen werden, zunächst wird allerdings nur vorläufig die Steuer gestundet, wegen möglicher Verluste im Folgejahr.
* Da im Folgejahr nach der Restschuldbefreiung auch noch ein Verlust entstehen kann, der nach den Regelungen des § 10d EStG grundsätzlich ins Vorjahr zurückgetragen werden soll, muss auch dieser noch für den Ausgleich des Sanierungsgewinns zur Verfügung gestellt werden. ACHTUNG: Stellt der Steuerpflichtige den grundsätzlich zulässigen Antrag, keinen Verlustrücktrag, sondern stattdessen einen – neuen – Verlustvortrag vorzunehmen, gilt der zuvor gestellte Erlassantrag bezüglich der Steuer auf den Sanierungsgewinn als zurückgenommen.
* Ist das Folgejahr endgültig veranlagt und die Verlustverrechnung durchgeführt, wird der endgültige Erlass der Steuer auf den danach noch verbliebenen Sanierungsgewinn aus der Restschuldbefreiung ausgesprochen.
* Bleibt nach dieser Vorgehensweise noch ein Verlustvortrag, kann dieser nach den allgemeinen einkommensteuerlichen Regelungen weiter genutzt werden.

Fazit: Es besteht die Möglichkeit einen bei der Restschuldbefreiung noch bestehenden Verlustvortrag im Rahmen der Restschuldbefreiung zu nutzen. Wichtigste Voraussetzung dafür ist es aber, dass alle Verluste bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahren auch wirksam festgestellt werden. Das setzt voraus, dass auch rückständige Buchführungen und Gewinnermittlungen aufgearbeitet werden. Insolvenzverwalter tun dies in der Regel nicht. Dadurch gehen Verlustvorträge verloren. Der ehemalige Unternehmer sollte daher notfalls versuchen, dies in eigener Regie zu organisieren. Das Maximum an Verlustvorträgen kann dabei herausgeholt werden, wenn besondere Kenntnisse des Liquidations-Bilanzrechts und Insolvenz-Steuerrechts vorliegen. Der Verlustvortrag kann auch schon während der sechsjährigen Phase des Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens dazu genutzt werden, um den Neustart zu finanzieren. In jedem Fall muss der ehemalige -und vielleicht auch zukünftige – Unternehmer dafür sorgen, dass er während des Insolvenzverfahrens umfassend steuerlich und insolvenzrechtlich betreut wird.


Und es gibt/gab dazu ein Verfahren vor dem BFH: VIII R 2/08


Die Empfehlung der Praktiker lautet: Erlassantrag stellen und auf das anhängige Verfahren verweisen.
Dürfte nach Tz. 2 S. 2 Sanierungserlass schon kein Sanierungsgewinn sein, da Unternehmer- und nicht Unternehmensbezogen!

http://www.gmbhr.de/heft/10_03/sanierungserlass.pdf
Nachtrag:

vom BFH bestätigt!

BFH v. 14.7.2010, X R 34/08, Rz. 31f. schrieb:Nach der Rechtsprechung (vgl. z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2006, 715) ist von einer unternehmerbezogenen Sanierung auszugehen, wenn dem Schuldner durch den Erlass eine schuldenfreie Liquidierung seines Unternehmens und der Aufbau einer Existenz in selbständiger oder nichtselbständiger Position ermöglicht wird, ohne dass er durch Schulden aus einer früheren unternehmerischen Tätigkeit belastet bleibt. Auf die Sanierungseignung des Unternehmens ist in diesen Fällen nicht abzustellen. Eine unternehmensbezogene Sanierung soll hingegen den Fortbestand des Unternehmens sichern. Es soll vor dem Zusammenbruch bewahrt und wieder ertragsfähig gemacht werden (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1990 VIII R 39/87, BFHE 164, 404, BStBl II 1991, 784). Daran fehlt es, wenn das Unternehmen seine werbende Tätigkeit bereits vor dem Schuldenerlass eingestellt hat.

(...)

Nach dem BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 sind Billigkeitsmaßnahmen nur in Fällen einer unternehmensbezogenen Sanierung möglich (vgl. Tz 1, wonach eine Sanierung als Maßnahme beschrieben wird, die ein Unternehmen oder einen Unternehmensträger vor dem finanziellen Zusammenbruch bewahren und wieder ertragsfähig machen soll = unternehmensbezogene Sanierung; Verfügung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 19. September 2008 S 2140 -8- StO 241, DB 2008, 2568); nicht begünstigt ist die unternehmerbezogene Sanierung (vgl. Tz 2 Satz 2). Ein Billigkeitserlass entsprechend den Regeln im BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 kommt im Streitfall damit nicht in Betracht.
Nachtrag die 2.: ich glaube nicht, dass der VIII. Senat den X. Senat umstimmen wird bzw. das hier der GrS angerufen wird.
@ showbee

Ihr Problem ist keins, denn im Urteilsfall ging es nicht um einen Restschuldbefreiungsfall, der wurde davon sogar ausdrücklich abgegrenzt und der BMF weist in seinem Schreiben vom 22.12.2009 audrücklich darauf hin, dass Tz. 2. S. 2 des BMF-Schreibens (die Nichtbegünstigung der unternehmerbezogenen Sanierung) vom 27.03.2003 auf diese Fälle nicht anzuwenden ist.

Auch in dem anhängigen Verfahren geht es nicht um einen solchen Fall.

@zaunkönig

Vielen Dank für den Aufsatz, der in etwa das bestätigt, was ich mir aus den BMF-Schreiben zusammengereimt habe.

Demnach dürften in meinem Fall eigentlich keine Probleme zu erwarten sein.

Es gab einen alten Verlust (den hatten wir uns damals mangels vollständiger Unterlagen mit viel Mühe näherungsweise zusammengereimt und uns schließlich mit dem FA auf einen Betrag verständigt. Der Verlust konnte in den Folgejahren genutzt werden (webei die Erstattungsansprüche zum Teil wieder dem Fiskus zugute kamen, da dieser mit Altschulden verrechnete).

Im Jahr der Restschuldbefreiung, also der Entstehung des Gewinns gibt es aber keinen Verlustvortrag mehr, auch im Folgejahr ist damit nicht zu rechnen. Damit dürfte der Gewinn aus der Restschuldbefreiung letztlich aus Billigkeitsgründen vollständig außer Ansatz bleiben und die Jahre mt der Verrechnung der Altverluste sind nicht mehr antastbar, soweit ich sehe.
Referenz-URLs