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FG Niedersachsen; Urteil zur Teil-EE
08.05.2008, 20:14
Beitrag: #1
FG Niedersachsen; Urteil zur Teil-EE
Hier zur Info die PM des FG Niedersachen zum ersten Urteil zu Teil-EE
Kläger war hier Stb. Hans-Peter Schneider, Lüneburg

Zitat:Teil-Einspruchsbescheid im Zusammenhang

mit einkommensteuerlichen Vorläufigkeitsvermerken ist aufzuheben.

Außerdem: Vorläufigkeitsvermerke in Einkommensteuerbescheiden sind nicht hinreichend verständlich

Der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts (NFG) hat in einem aktuellen Urteil -Az. 7 K 249/07- einen Teil-Einspruchsbescheid zu einzelnen Punkten des einkommensteuerlichen Vorläufigkeitsvermerks aufgehoben.

Daneben hat das NFG den im Einkommensteuerbescheid aufgeführten Vorläufigkeitsvermerk als "nicht hinreichend bestimmt, nicht hinreichend verständlich, nicht hinreichend umfassend formuliert" gekennzeichnet. Hiermit werde nicht der verfassungrechtlich garantierte effektive Steuerrechtsschutz vermittelt.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Das beklagte Finanzamt (FA) hatte gegenüber dem Kläger einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005 erlassen. Im Hinblick auf diverse Grundsatzverfahren beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und Bundesfinanzhof (BFH) versah das FA den Bescheid mit Vorläufigkeitsvermerken (§ 165 AO).

Gegen den Einkommensteuerbescheid wandte sich der Kläger mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs. Gleichzeitig beantragte er ein Ruhen des Einspruchsverfahrens im Hinblick auf eine Vielzahl beim BVerfG und BFH anhängiger Verfahren. In diesem Zusammenhang verwies der Kläger darauf, dass er den im Hinblick auf diese Verfahren angefügten Vorläufigkeitsvermerk des FA nicht für ausreichend erachte.

Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Das FA erließ einen Teil-Einspruchsbescheid (§ 367 Abs. 2 a der Abgabenordnung - AO). Es entschied punktuell nicht über die Frage der "Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als vorweggenommene Webungskosten”. Im Übrigen wurde der Einspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtete sich die Klage.

Das NFG hat den angefochtenen Teil-Einspruchsbescheid aufgehoben und daneben das FA verpflichtet, den Vorläufigkeitsvermerk bestimmter und verständlicher zu formulieren.

Zwar habe der Steuerpflichtige, der einen Einspruch eingelegt habe, grundsätzlich keinen Rechtsanspruch darauf, dass möglichst lange nicht über seinen Einspruch entschieden werde, um dann eventuell von vielen Entwicklungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung profitieren zu können. Sei allerdings wegen der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder wegen einer Rechtsfrage ein Verfahren beim EuGH, beim BVerfG oder bei einem obersten Bundesgericht anhängig und werde der Einspruch hierauf gestützt, ruhe nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO das Einspruchsverfahren insoweit. Diese sog. Zwangsruhe gelte nur dann nicht, soweit die Steuer vorläufig festgesetzt worden sei. Soweit das FA im Streitfall gleichwohl einen Teil-Einspruchsbescheid erlassen habe, sei dies ermessensfehlerhaft.

Die neue Regelung des § 367 Abs. 2 a AO diene - entsprechend dem aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleiteten Gebot rechtsschutzgewährender Auslegung von Verfahrensvorschriften - dazu, nur über den entscheidungsreifen Teil des Einspruchs zu entscheiden, wenn es sachdienlich sei. Dies gelte trotz des steten Anstiegs der Rechtsbehelfsverfahren (ca. 3,5 Millionen Einsprüche im Jahr 2004, fast 6 Mio Einsprüche im Jahr 2006). Denn die Kompliziertheit und Streitanfälligkeit des Steuerrechts falle nicht im Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen, sondern des Gesetzgebers.

Der Vorläufigkeitsvermerk, den die FinVerw den Einkommensteuerbescheiden regelmäßig beifüge, sei nicht ausreichend: Wer als steuerlicher Laie den amtlichen Zusatz im Vorläufigkeitsvermerk - "Änderungen dieser Regelungen werden von Amts wegen berücksichtigt; ein Einspruch ist insoweit nicht erforderlich" – lese, wähne sich in Rechtssicherheit. Unter diesem Gesichtspunkt könne z.B ein Steuerbescheid aufgrund des Vorläufigkeitsvermerks geändert werden, wenn ein Steuergesetz vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt worden sei. Eine Änderung komme nach dem Wortlaut des § 165 Abs. 1 AO dann nicht in Betracht, wenn das Steuergesetz verfassungskonform ausgelegt werden könne, es also nicht zu einer Unvereinbarkeitserklärung mit der Verfassung komme. In diesen Fällen könne effektiver Rechtsschutz nur durch ein Einspruchsverfahren, verbunden mit einer Verfahrensruhe erreicht werden.

Das NFG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen. Ein Az. des BFH liegt derzeit noch nicht vor.

Jörg Grune, Richter am FG, Pressereferent


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23.05.2008, 22:08 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 23.05.2008 22:08 von Lemgun.)
Beitrag: #2
RE: FG Niedersachsen; Urteil zur Teil-EE
Vielen Dank, sehr interessant.

Sehen Sie das auch so, dass die Vorläufigkeitsvermerke zur Entfernungspauschale (auch wenn die ausführlicher als die alten Vermerke formuliert sind) nicht ausreichen, um effektiven Rechtsschutz zu erlangen?

Gruß Lemgun
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"Der Steuerbescheid ist neben dem Strafbefehl das wirksamste Instrument, den Bürger zu erschrecken."
[Quelle: Dr. Peter Knief - Steuer-Sätze, 153 Steuer-Aphorismen]
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24.05.2008, 09:08
Beitrag: #3
RE: FG Niedersachsen; Urteil zur Teil-EE
Zitat:Das NFG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen. Ein Az. des BFH liegt derzeit noch nicht vor.
Kann man trotzdem mit §363 (1) AO Einspruch gegen die Ankündigung einer Teileinspruchsentscheidung einlegen und RdV beantragen?
Und "kann" oder sollte das FA von einer TE absehen?

mfg Dr. H.C. Freak Wink
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25.05.2008, 09:03
Beitrag: #4
RE: FG Niedersachsen; Urteil zur Teil-EE
@ Lemgun
Es dürfte schwierig werden, bei der Entferungspauschale zu begründen, dass der Vorläufigkeitsvermerk nicht ausreichend ist. Ein Ansatzpunkt wäre damit zu argumentieren, dass eine Ungleichbehandlung zwischen "normalen" Einsprüchen und Einsprüchen zwecks Gewährung von AdV (denn da ist der Einspruch ja zulässig) vorliegt. M.E. käme es wirklich auf die Begründung an, warum man der Auffassung ist, dass der Vorläufigkeitsvermerk nicht ausreicht.
Unabhänig davon, habe ich läuten gehört, dass das BVerfG zumindest noch in diesem Jahr eine Entscheidung fällen wird.

@ H-C
Meine persönliche Meinung ist, dass das, was der Gesetzgeber mit der TEE bezwecken wollte und das, was die FÄ daraus gemacht haben, nicht im Sinne des Erfinders sind.
Unabhängig davon: Die AO-Referenten der Länder sind über die beim FG Niedersachsen anhängigen Verfahren informiert. Die Probleme sind allen bekannt. Gerade der Steuerberater, welcher die Verfahren angezettelt hat und nunmehr auch das erste gewonnen hat, ist auf Bundesebene kein unbeschriebenes Blatt.
Sollten trotz Kenntnis dieses Urteils von FÄ TEE angedroht werden, so ist es mehr als sinnvoll, unter Bezug auf das Urteil von Niedersachsen und der Argumente von Stb. Schneider (wurden hier von Dir bereits gepostet) weiterhin auf vollumfängliches RdV zu bestehen. Im Übrigen sind noch weitere FG Verfahren in Niedersachsen anhängig. Die FÄ tuen sich weiss Gott keinen Gefallen Ihre Statistik mit TEE zu schönen.
PS. Ich habe bisher noch gar keine TEE erlassen. Vielmehr haben ich und meine Kolleginnen von Anfang an auf die sich schon bei Gesetzesänderung abzeichnenden Probleme beim FinMin ausdrücklich hingewiesen. Andere Ämter in unserem Bundesland, welche sofort TEE erlassen haben, haben nunmehr massive Probleme und sind meiner Kenntnis nach auch sehr schnell wieder davon abgekommen.

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25.05.2008, 10:49
Beitrag: #5
RE: FG Niedersachsen; Urteil zur Teil-EE
Auch in unserem Bundesland hat man sich entschieden, keine TEE in dieser Sache zu erlassen, rein aus praktischen Erwägungen.

Wenn das BVerfG sowieso dieses Jahr noch eine Entscheidung fällen will, kommt es auf die paar Tage auch nicht an.
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02.06.2008, 21:42
Beitrag: #6
RE: FG Niedersachsen; Urteil zur Teil-EE
Vielen Dank, Kiharu.

Zitat:Der Vorläufigkeitsvermerk, den die FinVerw den Einkommensteuerbescheiden regelmäßig beifüge, sei nicht ausreichend: Wer als steuerlicher Laie den amtlichen Zusatz im Vorläufigkeitsvermerk - "Änderungen dieser Regelungen werden von Amts wegen berücksichtigt; ein Einspruch ist insoweit nicht erforderlich" – lese, wähne sich in Rechtssicherheit. Unter diesem Gesichtspunkt könne z.B ein Steuerbescheid aufgrund des Vorläufigkeitsvermerks geändert werden, wenn ein Steuergesetz vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt worden sei. Eine Änderung komme nach dem Wortlaut des § 165 Abs. 1 AO dann nicht in Betracht, wenn das Steuergesetz verfassungskonform ausgelegt werden könne, es also nicht zu einer Unvereinbarkeitserklärung mit der Verfassung komme. In diesen Fällen könne effektiver Rechtsschutz nur durch ein Einspruchsverfahren, verbunden mit einer Verfahrensruhe erreicht werden.

Dieser Teil steht doch aber immer noch in den Bescheiden auch bezüglich der Entfernungspauschale.?

Gruß Lemgun
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03.06.2008, 07:22
Beitrag: #7
RE: FG Niedersachsen; Urteil zur Teil-EE
Ja, dieser Teil steht auch weiterhin in den Bescheiden.

Fraglich ist nur, welche Fallkonstellation unter diesen
Zitat:Eine Änderung komme nach dem Wortlaut des § 165 Abs. 1 AO dann nicht in Betracht, wenn das Steuergesetz verfassungskonform ausgelegt werden könne, es also nicht zu einer Unvereinbarkeitserklärung mit der Verfassung komme. In diesen Fällen könne effektiver Rechtsschutz nur durch ein Einspruchsverfahren, verbunden mit einer Verfahrensruhe erreicht werden.
Gesichtspunkt passen sollte?

Mir fällt da hinsichtlich der Entfernungspauschale nichts ein, was nicht durch die Vorläufigkeit gedeckt wäre. Falls Sie Gedanken diesbezüglich entwickelt haben, würden mich diese sehr interessieren.

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03.06.2008, 07:41
Beitrag: #8
RE: FG Niedersachsen; Urteil zur Teil-EE
Im NFG-Urteil geht es um die TEE bei Rentenversicherungsbeiträgen als WK. Es geht dabei nicht um höherrangiges Recht und ist m.E. insoweit mit der Entfernungspauschale nicht zu vergleichen. Und es geht um die TEE insbesondere. Az. BFH liegt immer noch nicht vor.

Vor dem Thüringer FG ist ein gleiches Verfahren nunmehr auch anhängig Az. 1 K 407/08.

mfg Dr. H.C. Freak Wink
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03.06.2008, 19:31
Beitrag: #9
RE: FG Niedersachsen; Urteil zur Teil-EE
Kiharu schrieb:Ja, dieser Teil steht auch weiterhin in den Bescheiden.

Fraglich ist nur, welche Fallkonstellation unter diesen
Zitat:Eine Änderung komme nach dem Wortlaut des § 165 Abs. 1 AO dann nicht in Betracht, wenn das Steuergesetz verfassungskonform ausgelegt werden könne, es also nicht zu einer Unvereinbarkeitserklärung mit der Verfassung komme. In diesen Fällen könne effektiver Rechtsschutz nur durch ein Einspruchsverfahren, verbunden mit einer Verfahrensruhe erreicht werden.
Gesichtspunkt passen sollte?

Mir fällt da hinsichtlich der Entfernungspauschale nichts ein, was nicht durch die Vorläufigkeit gedeckt wäre. Falls Sie Gedanken diesbezüglich entwickelt haben, würden mich diese sehr interessieren.

Sie meinen also, da es beim BVerfG anhängig ist, muss zwangsläufig entschieden werden, ob die Regelung verfassungskonform oder verfassungswidrig ist?

Gruß Lemgun
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03.06.2008, 20:10 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 03.06.2008 20:11 von Kiharu.)
Beitrag: #10
RE: FG Niedersachsen; Urteil zur Teil-EE
Zitat:Sie meinen also, da es beim BVerfG anhängig ist, muss zwangsläufig entschieden werden, ob die Regelung verfassungskonform oder verfassungswidrig ist?

Nein, das BVerG könnte auch das Verfahren aus anderen Gründen nicht zur Entscheidung annehmen. Es liegt an Ihnen, dem Finanzamt gegenüber zu erklären, warum Sie der Meinung sind, dass der Vorläufigkeitsvermerk nicht ausreicht. Nur, die meisten begründen doch Ihre Einsprüche mit der Verfassungswidrigkeit, und wenn der Bescheid vorläufig gemacht wird wegen der eventuellen Verfassungswidrigkeit, dann fehlt es dem Einspruch an Rechtschutzbedürfnis (AEAO zu §350 Tz. 6).

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