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Gewinnermittlung ohne Belege
09.12.2015, 02:44 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 09.12.2015 02:55 von Effenhausen.)
Beitrag: #1
Gewinnermittlung ohne Belege
Hallo,

Folgender Sachverhalt:
Neu-Mandant welcher es bisher geschafft hat unter dem Radar des FA zu fliegen. Trotz Gewerbeanmeldung in 2006 hat er bisher noch nie eine Steuererklärung abgegeben und auch keine Erinnerung bekommen. Er hat noch nichtmal eine Steuernummer.

Nun möchte er gerne über eine Selbstanzeige alles sauber machen, hat aber (wie solls auch anders sein) ein Gewerbe im Bereich Gasto (Eventgasto beim Kunden vor Ort). Alle (!) Einnahmen sind bar geflossen und es gibt keinerlei Aufzeichungen. Die Einkaufsbelege wurden nicht aufbewahrt, sodass mir nur Kontoauszüge vorliegen, welche nur sehr wenig Ausgaben aufzeigen.

Zu allem Überfluss musste der Mandant in 2014 noch länger stationär behandelt werden. Danach war sein Überblick komplett verloren.

Er versucht nun bei seinen Großhändlern noch Rechnungskopien anzufordern um mal einen Überblick zu bekommen, welche Summen bewegt wurden.

Dies hilft nur alles nicht um die Einnahmen/Umsätze korrekt zu erfassen.

Wie wäre euer Weg um dies zu lösen?
Aufstellung einer Zuschlagskalkulation über die Richtsätze?

Danke!
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09.12.2015, 09:54
Beitrag: #2
RE: Gewinnermittlung ohne Belege
Ja, hier würde ich aus 2 Richtungen "ranschätzen":

1.
Umsatztage x typischer Umsatz = Einnahmen + Sicherheitszuschlag
abzgl. geschätzter WE
abzgl. geschätzte lfd. Kosten des Unternehmens (Personal???)
zzgl. Entnahmepauschalen für Gastro
= Gewinn

2. Geldverkehrsrechnung
Wie ist der Lebensstil des Stpfl? Muss er von seinem Einkommen Familie ernähren oder nur sich? Wie teuer ist die Wohnung? Welches Auto fährt/fuhr er? Urlaube? Investitionen? Hat er was gespart über die Gesamtperiode? Das sind alles Indikatoren um zu prüfen, ob der unter 1. ermittelte Gewinn plausibel ist.
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13.12.2015, 14:37
Beitrag: #3
RE: Gewinnermittlung ohne Belege
Ok, danke.
So hatte ich es vor.
Ich wollte mich an die Richtsatzsammlung (obere hälfte) halten.

Sollte ich die "Schätzung" gegenüber dem FA kenntlich machen?
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13.12.2015, 21:53
Beitrag: #4
Gewinnermittlung ohne Belege
In jedem Fall ist eine Schätzung offen zu legen, insbesondere der Rechenweg und die Verprobung, denn die nunmehr erklärte Zahl kann ja in keinem Fall korrekt (Abweichung vom tatsächlichen Gewinn) sein. Insoweit sollte die Erklärung dem Amt schon das Gefühl geben, dass die Schätzung bereits über dem tatsächlichen Gewinn liegt. Aus taktischen Gründen sollte man den Mandanten aber davon in Kenntnis setzen, dass das Amt höchstwahrscheinlich nochmals 20-25% drauf packen will, ob als Gewinn oder/und Verspätungszuschlag. Dazu die Zinsen. Das wird teuer.

Ein weiteres Augenmerk sollte auf den Verjährungsfristen liegen; in 3 Wochen ist bereits 2008 regulär verjährt (Anlaufhemmung plus 4 Jahre). In 2016 könnte man noch auf 2008 zugreifen, wenn man von Fahrlässigkeit ausgeht. Steuerhinterziehung muss man ausräumen, dann gewinnt man 2006 und 2007. Für den Mandanten sollte man allerdings auch für diese Jahre die Steuerbelastung ausrechnen.
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15.12.2015, 20:52
Beitrag: #5
RE: Gewinnermittlung ohne Belege
Wenn das FA auf die Schätzung noch etwas drauf packt, verliert der Mandant dann nicht die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige (da kein voller Umfang)?
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15.12.2015, 21:49 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 15.12.2015 21:51 von showbee.)
Beitrag: #6
RE: Gewinnermittlung ohne Belege
Die strafrechtliche Komponente sollte man genau prüfen; die Selbstanzeige erstreckt sich ja mE auf die 10jährige Festsetzungsfrist. Man muss also ggf zunächst für alle 10 Jahre rechnen und erklären und dann im Veranlagungsverfahren versuchen den Vorsatz auszuräumen um eben die Jahre 10 bis 6 nicht mehr veranlagt zu bekommen.

Ansonsten folgende Fundstelle:

FGJ zu 371 AO Rn 62 f schrieb:Ist der Stpfl wegen fehlender Aufzeichnungen nicht in der Lage, genaue zahlenmäßige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen zu machen, muss er dem FA jedenfalls diejenigen Tatsachen mitteilen, die eine Schätzung (§ 162) ermöglichen, oder einen eigenen Schätzungsvorschlag mit bestimmten Angaben begründen, zB über Umsatz oder über Wareneinsatz und Aufschläge oder über Materialeinsatz, Löhne und Aufschläge oder jedenfalls über den Verbrauch und den Vermögenszuwachs innerhalb der fraglichen Steuerabschnitte. Anhand solcher Angaben ist eine annähernd zutreffende (Berichtigungs-)Veranlagung auch dann möglich, wenn die Buchführung derart im Argen liegt, dass die Einnahmen und Ausgaben nicht rekonstruiert werden können (...).

(...) § 370 AO sanktioniert nicht die mangelhafte oder fehlerhafte Buchführung – dies tun §§ 283 ff. StGB, §§ 331 ff. HGB –, sondern die auf einer bestimmten Tathandlung beruhende unrichtige oder fehlende Steuerfestsetzung (...). Soweit der Stpfl mit seinen Angaben diese zutreffende Steuerfestsetzung ermöglicht, genügt dies auch dem § 371 AO (...). Soweit die Schätzung von der FinB verworfen wird, ist zu differenzieren: Wenn aus steuerrechtlichen Erwägungen Sicherheitszuschläge gemacht werden, oder auf der Basis des bekannten Umsatzes mit Gewinnen gerechnet wird, die den oberen Werten der Richtsatzsammlung oder Ähnlichem entsprechen, hat dies zunächst einmal nur steuerrechtliche Relevanz. Für die Selbstanzeige ist in jedem Falle ausreichend, dass solche Tatsachen übermittelt werden, die eine Schätzung nach strafprozessualen Maßstäben rechtfertigten (...). Die Grenze ist erst dort erreicht, wo sich die Berichtigungserklärung des Stpfl in der bloßen Aufforderung zur Schätzung durch das FA erschöpft.

Es genügt freilich nicht seinen Umsatz pauschal zu schätzen, also ohne weitere Angabe zu den durchgeführten Geschäften, Abrechnungen etc. einfach einen Umsatz von 80-100.000 € anzugeben und dann für die Selbstanzeige bspw. von 110.000 € weiter zu rechnen. Auch hier sollte im Zweifel ein Strafverteidiger die Selbstanzeige vorher mal prüfen.
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