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Geschäftsveräußerung - Reichweite
05.08.2020, 11:18
Beitrag: #1
Geschäftsveräußerung - Reichweite
Bei Grundstückskaufverträgen ist es meistens wie folgt:
Es liegt eine GiG vor - vorsorglich (aber unbedingt!) Option.
Nach meinen Rückfragen bzgl. vergangener Vorgänge bleibt es meistens zum Glück bei der GiG.

Notare tun sich gelegentlich schwer mit der Formulierung mangels steuerlicher Kenntnisse. Steuerberater hingegen tun sich gelegentlich schwer mit vertraglichen Regelungen.

Ich habe versucht, mich einzulesen. Bei folgenden Formulierungen, die gelegentlich verwendet werden, habe ich inzwischen Zweifel:

Sinngemäß wird geschrieben: Soweit das FA wegen "der bis zum Übergabetag bestehenden Verhältnisse" eine Berichtigung vornehmen und den Erwerber hierfür in Anspruch nehmen - dann Schadensersatz.

Ich meine, das kann doch überhaupt nicht eintreten. Problematisch ist natürlich, dass der Erwerber, wenn er (!) eine Änderung herbeiführt (Letztverbrauch), Vorsteuerberichtigung auch bzgl. der vom Veräußerer gezogenen Vorsteuer zu erleiden hat. Mit anderen Worten: Der Erwerber "hat es in der Hand" (grds. - wir wissen, dass es auch zu ungewollten Berichtigungen kommen kann, aber das ist eine andere Sache) - er muss bei einer "Fehlentscheidung" damit rechnen, dass er wirtschaftlich mit "Lasten" belastet wird, deren "Nutzen" (Vorsteuerkohle damals) ein anderer (Veräußerer) gezogen hat.

Diese Garantie meint aber etwas anderes. Sie beruht auf der "Angst", dass der Erwerber (ohne dass er selbst eine Änderung der Verhältnisse herbeiführt!) für Vorsteuerfehler des Veräußerers haftet (Beispiel: Scheinrechnungen). Das halte ich aber für falsch. § 15a Abs. 10 UStG ordnet doch keine umfassende Haftung für Änderungsbescheide der USt-Bescheide des Veräußerers an. Das heißt, dieser Fall kann nicht eintreten: Wenn USt-Bescheide des Veräußerers korrigiert werden, haftet der Erwerber hierfür doch unter keinen Umständen. Der Erwerber hat nur ein Berichtigungsrisiko, wenn er eine Änderung der Verhältnisse herbeiführt.

Oder gibt es eine Minderheitsmeinung, die etwa aus § 1 Abs. 1a S. 3 UStG etwas anderes herausliest?

Für Feedback wäre ich dankbar.
Gruß
Micha79
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09.08.2020, 23:59
Beitrag: #2
RE: Geschäftsveräußerung - Reichweite
(05.08.2020 11:18)micha79 schrieb:  Sinngemäß wird geschrieben: Soweit das FA wegen "der bis zum Übergabetag bestehenden Verhältnisse" eine Berichtigung vornehmen und den Erwerber hierfür in Anspruch nehmen - dann Schadensersatz.

§ 75 AO greift hier natürlich auch ein. Wenn wir schon eine Geschäftsveräußerung im Ganzen haben, dann gilt natürlich auch § 75 Abgabenordnung. Damit Haftung des Übernehmenden des Geschäfts für die Steuerschulden des Betriebsveräußerers auch in der Umsatzsteuer.
Ich gebe Dir recht, dass bestimmt auch viele Steuerberater nicht hundertprozentig in der Lage sind, saubere Formulierungen vorzuschlagen, und gleichzeitig noch dafür zu sorgen, dass diese möglicherweise im Widerspruch zum Vertragspartner ihres Mandanten im Vertrag zu finden sind.
Darüber hinaus könnte die Regelung vielleicht folgendem Lebenssachverhalt geschuldet sein:
Unternehmer A baut oder saniert sein Haus, nimmt Vorsteuerabzug in Höhe von 300.000 in Anspruch, weil die Voraussetzungen für eine Option gegeben sind. Bereits vor der Veräußerung (innerhalb des Zehn Jahres Zeitraumes) wird eine Teilfläche nicht mehr mit Option vermietet, sondern umsatzsteuerbefreit. Der Verkauf innerhalb des Zehn Jahres Zeitraumes erfolgt als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung.
Der Erwerber versäumt es, im Rahmen der Due Dilligence den Vorsteuerabzug für alle Flächen im Haus für die vergangenen 10 Jahre zu prüfen. Oder er prüft es und bekommt falsche Antworten, da die 8 Jahre alten Belege angeblich nicht mehr aufgefunden werden.
Nach dem Verkauf fordert das Finanzamt zurecht die Berichtigung der Vorsteuer ab dem 1. Monat der Nutzung durch den Käufer. Möglicherweise soll die Formulierung diesen Fall abdecken?
Wahrscheinlich hätte man hier eine bessere Variante der Formulierung wählen sollen, aber dafür fehlt es nicht selten bei mindestens einem oder mehreren Stellen dieses Vertragsabschlusses (Verkäufer, Rechtsanwalt des Verkäufers, Steuerberater des Verkäufers, Käufer, Rechtsanwalt des Käufers, Steuerberater des Käufers) an Verständnis der Regelungen und deren Auswirkungen. Oder die gewählte Formulierung war sogar der Kompromiss, um beide Seiten überhaupt zum Geschäft kommen zu lassen...

schönen Tag noch

phönix
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[-] Die folgenden 1 Benutzer sagten Danke zu phönix für diesen Beitrag:
micha79 (15-08-2020)
15.08.2020, 11:02
Beitrag: #3
RE: Geschäftsveräußerung - Reichweite
(09.08.2020 23:59)phönix schrieb:  
(05.08.2020 11:18)micha79 schrieb:  Sinngemäß wird geschrieben: Soweit das FA wegen "der bis zum Übergabetag bestehenden Verhältnisse" eine Berichtigung vornehmen und den Erwerber hierfür in Anspruch nehmen - dann Schadensersatz.

§ 75 AO greift hier natürlich auch ein. Wenn wir schon eine Geschäftsveräußerung im Ganzen haben, dann gilt natürlich auch § 75 Abgabenordnung. Damit Haftung des Übernehmenden des Geschäfts für die Steuerschulden des Betriebsveräußerers auch in der Umsatzsteuer.
Ich gebe Dir recht, dass bestimmt auch viele Steuerberater nicht hundertprozentig in der Lage sind, saubere Formulierungen vorzuschlagen, und gleichzeitig noch dafür zu sorgen, dass diese möglicherweise im Widerspruch zum Vertragspartner ihres Mandanten im Vertrag zu finden sind.
Darüber hinaus könnte die Regelung vielleicht folgendem Lebenssachverhalt geschuldet sein:
Unternehmer A baut oder saniert sein Haus, nimmt Vorsteuerabzug in Höhe von 300.000 in Anspruch, weil die Voraussetzungen für eine Option gegeben sind. Bereits vor der Veräußerung (innerhalb des Zehn Jahres Zeitraumes) wird eine Teilfläche nicht mehr mit Option vermietet, sondern umsatzsteuerbefreit. Der Verkauf innerhalb des Zehn Jahres Zeitraumes erfolgt als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung.
Der Erwerber versäumt es, im Rahmen der Due Dilligence den Vorsteuerabzug für alle Flächen im Haus für die vergangenen 10 Jahre zu prüfen. Oder er prüft es und bekommt falsche Antworten, da die 8 Jahre alten Belege angeblich nicht mehr aufgefunden werden.
Nach dem Verkauf fordert das Finanzamt zurecht die Berichtigung der Vorsteuer ab dem 1. Monat der Nutzung durch den Käufer. Möglicherweise soll die Formulierung diesen Fall abdecken?
Wahrscheinlich hätte man hier eine bessere Variante der Formulierung wählen sollen, aber dafür fehlt es nicht selten bei mindestens einem oder mehreren Stellen dieses Vertragsabschlusses (Verkäufer, Rechtsanwalt des Verkäufers, Steuerberater des Verkäufers, Käufer, Rechtsanwalt des Käufers, Steuerberater des Käufers) an Verständnis der Regelungen und deren Auswirkungen. Oder die gewählte Formulierung war sogar der Kompromiss, um beide Seiten überhaupt zum Geschäft kommen zu lassen...

§ 75 AO verstehe ich. Aber hier haben wir doch zeitliche Schranken?
Die Steuern/Abzugsbeträge müssen seit Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entstanden sein und innerhalb eines Jahres seit Anmeldung des Betriebs durch den Erwerber festgesetzt oder angemeldet worden sein. Bei einer Veräußerung im Jahr 03 ist die Umsatzsteuer im Jahr 01 doch dann außen vor, weil sie mit Ablauf Dezember 01 entstanden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Der Umstand, dass der Veräußerer im Jahr 01 oder vorher zu Unrecht Vorsteuer gezogen hat, führt doch dazu, dass seine Umsatzsteuerschuld seinerzeit mangels Berechtigung zum Abzug nicht erloschen ist. Und dann wäre der Erwerber, wenn diese Lesart richtig ist, außen vor für ältere Vorsteuerfehler.

Es kann doch nicht darauf ankommen, wann das Finanzamt die Fehler beim Vorsteuerabzug "findet". Dann würde § 75 AO ad absurdum geführt. Aber selbst dann müsste man mit der Festsetzungsfrist von einem Jahr jedenfalls hinkommen.

Ist das so richtig?
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15.08.2020, 13:53 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 15.08.2020 13:55 von phönix.)
Beitrag: #4
RE: Geschäftsveräußerung - Reichweite
Beispiel zur Verdeutlichung:
A erwirbt im Jahr 2000 ein Geschäftshaus. Im Jahr 2012 modernisiert A das Haus(Heizung und Klimaanlage sowie Belüftung werden vollständig modernisiert) und macht Vorsteuerabzug von 100.000 geltend, da er für die Miete aus dem aktuellen Mietverhältnis berechtigt auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 verzichtet. Am 31. Dezember 19 endet der Mietvertrag mit dem bisherigen Mieter . Neuer Mieter ab 1. Januar 2020 wird ein Unternehmer, an den eine Vermietung nur ohne Verzicht auf die Steuerbefreiung erfolgen kann.
Nach § 15a (3) Umsatzsteuergesetz muss Berichtigung des Vorsteuerabzugs zeitanteilig entsprechend des wirtschaftlichen Verbrauchs, max. 10 Jahre erfolgen. Es wird angenommen, dass die Heizung und die Klimaanlage noch längere Zeit funktionsfähig bleiben können und noch nicht wirtschaftlich verschlissen sind. Demzufolge ist eine erste Berichtigung in Höhe von Euro 10.000 (10 % pro anno) mit der Umsatzsteuererklärung 2020 erforderlich. Diese Steuer entsteht erst im Jahr 2020, da sie direkt an die vorsteuerschädliche Vermietung des Jahres 2020 angeknüpft. Gleiches für 2021, hier folgt die 2. Berichtigung. A veräußert nunmehr seinen Betrieb (Vermietung des Geschäftshauses) zum 31. Dezember 2021. Nach § 75 Abgabenordnung haftet der Erwerber des Unternehmens (des vermieteten Geschäftshauses) unter den dort angegebenen Bedingungen für die Umsatzsteuer 2020 und 2021 in Höhe von jeweils Euro 10.000, die sich ausschließlich aus der Vorsteuerberichtigung nach § 15a Umsatzsteuergesetz ergeben.

schönen Tag noch

phönix
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