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Vollstreckungsschutz bei Mieten § 319 AO i. v. m. § 851 b ZPO
10.09.2009, 19:45
Beitrag: #1
Vollstreckungsschutz bei Mieten § 319 AO i. v. m. § 851 b ZPO
Von mir mal wieder aus ausgefallener Fall zur Diskussion (vielleicht sind da die mitlesenden Juristen im Bilde).

Steuerpflichtiger hat (unstreitig) größere Steuerrückstände, FA pfändet alles, was geht, wobei im Grunde nichts Pfändbares mehr vorhanden ist und die nichtselbständigen Einkünfte unter der Pfändungsfreigrenze liegen. Stpfl. will keine Privatinsolvenz.

Besonderheit am Rande aber m. E. nicht entscheidend: Im Gehalt enthalten ist als Sachleistung die Nutzung eines Firmen-PKW, wobei dies vom Arbeitgeber bei der Berechnung der Pfändungsfreigrenze berücksichtigt wurde.

Stpfl. ist (noch) Eigentümer einer Eigentumswohnung, die aber noch hoch belastet ist. Veräußerung würde die Darlehensverbindlichkeiten nicht abdecken.

Die Mieteinnahmen decken gerade mal annähernd (noch nicht einmal ganz) den Kapitaldienst an die finanzierende Bank, die fälligen Hausgeldzahlungen an die WEG sowie die Grundsteuer. Es bleibt darüber hinaus also nichts übrig.

FA pfändet Miete, obwohl sämtliche Daten dort bekannt sind, es wurden unter anderem die aktuellen Kontoauszüge des Mietkontos vorgelegt.

Stpfl. wendet sich (beim FA als vollstreckender Behörde) gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung mit der Begründung, es sei Pfändungsschutz nach § 319 AO i. V. m. § 851b ZPO zu gewähren.

Die Einnahmen würden in voller Höhe zur Abdeckung der genannten amtsbekannten Aufwendungen benötigt. Hierbei handele es sich ausschließlich um solche für die laufenden Unterhaltung des Grundstücks, für Vornahme notwendiger Instandsetzungsarbeiten und für die Befriedigung von Ansprüchen, die bei einer Zwangsvollstreckung in das Grundstück dem Anspruch des Gläubigers nach § 10 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung vorgehen würden (in Anlehnung an den Wortlaut in § 851b ZPO).

Da Mieteinnahmen noch nicht einmal ausreichten, diese Aufwendungen abzudecken, sei Unentbehrlichkeit i. S. von § 851 b ZPO gegeben.

FA lehnt ab und behauptet:

Pfändungsschutz komme nach § 851b ZPO nur dann in Betracht, wenn die Mieteinnahmen für die genannten Zwecke unentbehrlich seien. Dies sei aber nur der Fall, wenn dem Vollstreckungsschuldner die erforderlichen Geldmittel nicht aus anderen Quellen zur Verfügung stünden. Daher sei eine Beurteilung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Vollstreckungsschuldners erforderlich.

Diues enspreche dem allgemeinen Grundsatz des Vollstreckungsschutzes. Verfüge der Vollstreckungsschuldner über ausreichende anderweitige Mittel, die in § 851 b ZPO genannten Aufwendungen bestreiten zu können, sei er überdies in die Lage versetzt, eine Zwangsvollstreckung in das Grundstück abzuwenden.

Der Stpfl. verfüge aber über den Arbeitslohn, habe außerdem durch die Nutzung eines Dienstwagens "auf Nettobezüge verzichet", und könne sich im Übrigen an seinen Ehegatten zwecks Unterhalt wenden.

Pfändungsschutz nach §851b ZPO könne in Anbetracht dieser Mittel, die für das Grundstück verwendet werden könnten, aber anders verwendet würden, nicht gewährt werden.

Meine Meinung als Nicht-ZPO-Experte:

Mir erscheint die Begründung abenteuerlich. So wie ich es verstehe, ist § 851 b ZPO hinsichtlich der Untentbehrlichkeit der Mieteinnahmen grundstücksbezogen zu beurteilen, so dass es keine Rolle spielt, in welchen wirtschaftlichen Verhältnissen, der Stpfl. sonst lebt (wo ja ansonsten außerdem anderweitige Pfändungsmöglichkeiten bestehen müssten).

So wohl auch BFH vom 09.08.1961, VIII 141/60; Beschluss FG Münster vom 04.05.2004, 7 V 1911/04 AO in EFG 2004, 1470; Beschluss BGH vom 21.12.2004, IXa ZB 228/03.
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11.09.2009, 09:05
Beitrag: #2
RE: Vollstreckungsschutz bei Mieten § 319 AO i. v. m. § 851 b ZPO
meyer schrieb:Mir erscheint die Begründung abenteuerlich. So wie ich es verstehe, ist § 851 b ZPO hinsichtlich der Untentbehrlichkeit der Mieteinnahmen grundstücksbezogen zu beurteilen, so dass es keine Rolle spielt, in welchen wirtschaftlichen Verhältnissen, der Stpfl. sonst lebt (wo ja ansonsten außerdem anderweitige Pfändungsmöglichkeiten bestehen müssten).

Kann ich nicht nachvollziehen. In den Standardkommentaren ist das nicht zu finden:

Zitat:"Die Einziehung der Miet- oder Pachtzinsforderung muss für den Schuldner weiterhin nach Abs. 1 S. 1 „unentbehrlich“ sein. Dies ist der Fall, wenn der Schuldner über die Miet- und Pachteinkünfte hinaus keine weiteren Mittel zur Verfügung hat, aus denen er die Ausgaben bestreiten kann, um die in Abs. 1 S. 1 genannten Zwecke zu erreichen."

So Smid in Münchener Kommentar, § 851b ZPO, Rn. 10, der auch auf Hartmann in Baumbach/Lautermann, § 851b ZPO, Rn. 2 verweist.
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11.09.2009, 12:10 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 11.09.2009 12:12 von meyer.)
Beitrag: #3
RE: Vollstreckungsschutz bei Mieten § 319 AO i. v. m. § 851 b ZPO
Danke für die Hinweise. Leider habe ich, da ich eigentlich sonst nicht benötige, keinen direkten Zugriff auf ZPO-Kommentare.

Ich lasse mal die Frage, ob derjenige noch andere ausreichende Einkünfte hat (die ich nicht sehe), als offen außen vor.

Offenbar sind die Meinungen zur Frage, ob die Frage der Unentbehrlichkeit i. S. d. § 851b ZPO objektbezogen zu sehen ist, nicht einheitlich.

Die Kommentierung von Schwarz zu § 319 AO ist der Auffassung, ob der Schuldner andere Einkünfte habe, sei bei der Frage der Unentbehrlichkeit nicht zu berücksichtigen und verweist auf ein allerdings sehr altes BFH-Urteil vom 09.08.1961 (VIII 141/60), in dem das tatsächlich ausdrücklich so ausgeführt wird (Verweis bei der Urteilsbegründung auf eine (damalige) Kommentierung von Wieczorek, ZPO, allerdings auch mit Verweis auf eine andere Ansicht).

Bei Schwarz selbst wird auch auf eine andere Ansicht in der Kommentierung Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann zu § 851b ZPO hingewiesen.

Aus dem von mir zunächst angegebenen BGH-Beschluss vom 21.12.2004 geht die Sache, wie ich beim Nachlesen feststelle, nicht eindeutig hervor, da hier nur hervorgehoben wird, dass Mieten im Rahmen des von § 851 BGB umfassten Bereichs unpfändbar sind. Auf die Frage der Definition der Unentbehrlichkeit wird dabei jedoch nicht eingegangen.

Sollte jemand dazu aktuelle Urteile von Zivilgerichten kennen, wäre ich interessiert. Ist aber eher akademisch, da der konkrete Fall ohnehin wohl nicht weiterverfolgt wird (diesem Stpfl. ist in Anbetracht seiner Lage egal, ob der Fiskus statt anderer Gläubiger bedient wird, das Objekt ist jetzt im Zwangsversteigerungsverfahren).
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11.09.2009, 14:52
Beitrag: #4
RE: Vollstreckungsschutz bei Mieten § 319 AO i. v. m. § 851 b ZPO
Hallo meyer,

also ich habe mal juris angeworfen. Hier findet sich bspw. VG Frankfurt (Oder), 16.01.2009, 5 L 201/08. Dort wird erst thematisiert, ob überhaupt zu schützende Aufwendungen für das Objekt bestehen und dann kommt folgender Passus:

Zitat:Auch diesem Vortrag
(Frage ob Ausgaben da sind!!!)
Zitat:muss aber nicht weiter nachgegangen werden. Denn die Annahme eines Pfändungsschutzes scheitert jedenfalls schon daran, dass der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat, dass die Mieteinnahmen zur laufenden Unterhaltung und zur Begleichung der Kreditraten „unentbehrlich“ seien. Das wäre nur dann der Fall, wenn der betroffene Schuldner nicht in der Lage wäre, die Maßnahmen zum laufenden Unterhalt des Grundstücks und die Ratenzahlungen aus eigenen anderweitigen Mitteln zu finanzieren.

Seine fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit hat der Antragsteller aber nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere hat er seine gegenwärtigen Vermögens- und Einkommensverhältnisse nicht offen gelegt, sondern nur darauf verwiesen, dass dem Antragsgegner diese Verhältnisse bekannt seien. Zum Beleg legte er nur ein Schreiben des Antragsgegners vor, mit dem dieser Unterlagen über die Vermögensverhältnisse des Antragstellers anforderte, die offensichtlich der Vorbereitung einer Entscheidung des Antragsgegners über einen Stundungsantrag des Antragstellers dienten. Diese Anforderung stammt allerdings aus dem Jahr 2002. Ob und wenn ja welche Unterlagen der Antragsteller damals eingereicht hat und wie über den Antrag entschieden worden ist, bleibt unklar. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung ist – angesichts der laufenden Vollstreckung – davon auszugehen, dass eine Stundung wohl nicht gewährt worden ist. Vor diesem Hintergrund lässt das Schreiben des Antragsgegners aus dem Jahr 2002 ebenso wenig einen Rückschluss auf die gegenwärtige Einkommenssituation des Antragstellers zu, wie die Tatsache, dass das gepfändete Konto im Zeitpunkt der Pfändung kein Guthaben aufwies. Letzteres bedeutet nur, dass ein Ausgleich nicht erfolgt war, nicht aber dass ein solcher Ausgleich aus eigenen Mitteln des Klägers nicht hätte erfolgen können.

Der pauschale Verweis auf niedrige Mieten, Leerstände und Stagnation macht eine Darlegung der sonstigen Einkünfte des Antragstellers nicht entbehrlich, der nicht nur mit dem Grundstück und den daraus zu erzielenden Einnahmen, sondern persönlich mit seinem gesamten Vermögen für die Beitragsforderung haftet. Dass der Antragsteller über weitere Einnahmen verfügen muss, zeigt sein eigener Vortrag, wonach er „ab und zu, aber selten“, seinerseits Mittel zur Kontostützung bei Anfall unvorhergesehener Ausgaben auf das „Mietenkonto“ überwiesen hat (Seite 2 der Antragsschrift). (...)
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11.09.2009, 15:53 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 11.09.2009 15:54 von meyer.)
Beitrag: #5
RE: Vollstreckungsschutz bei Mieten § 319 AO i. v. m. § 851 b ZPO
Danke, das ist doch mal eine (aktuelle) Aussage, wenn auch nur ein VG und ohne weitere ersichtliche Verweise, die diese Auffassung zusätzlich untermauern würden.

Wenn man sich dieser Aussage anschließt, ist im vorliegenden Fall die Haltung des FA gleichwohl befremdlich, wenn man den Gesamtzusammenhang kennt, denn der Stpfl. hat vor der Pfändung eine e.V. abgegeben, die dem FA nebst detaillierten weiteren aktuellen Informationen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse bekannt war. Der Stpfl. verfügt neben den die Aufwendungen für das Grundstück noch nicht einmal deckenden Mieteinnahmen ausschließlich über Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im nicht pfändbaren Bereich und ist hoch überschuldet.

Wo da ein nicht ausreichender Nachweis über die Unentbehrlichkeit und ausreichend weitere Einkünfte konstruiert werden sollen, ist mir schleierhaft.
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11.09.2009, 18:59
Beitrag: #6
RE: Vollstreckungsschutz bei Mieten § 319 AO i. v. m. § 851 b ZPO
Hallo,

kann mich bei meiner Recherche nur den Ausführungen von @showbee anschließen.
Zumindest sieht der Grundtenor die Hinzuziehung aller wirtschaftlich stützenden Einkünfte vor.

In Deinem Fall sollte aber eine spezielle Situation vorhanden sein. Wenn die sonstigen Einkünfte lediglich solche aus n.s. Tätigkeit sind und unterhalb der Pfändungsgrenze liegen, dann hat er eben keine weiteren Einkünfte, die herangezogen werden können.
Denn die Pfändung der Mieteinkünfte durch das FA entziehen die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Mietobjektes, welches die Einnahmen zur wesentlichen Deckung der Verbindlichkeiten und Kosten benötigt.
Wird der Steuerpflichtige nunmehr durch die Pfändungsmaßnahme der Mieteinnahmen dahingehend wirtschaftlich in die Pflicht genommen, dass er aus seinen anderen Einkünften die Deckung herbeiführen muss, greift das FA mit dieser Maßnahme in den Grundsatz des gesetzlich geschützten Grundeinkommens ein.

Schlimm daran ist, dass das FA eine EV vorliegen hat und um die gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen weiß. Für mich ein Verstoß gegen geltendes Recht (aber nur unter diesen speziellen Voraussetzungen).

Bin nur kein Jurist und gebe das einfach mal als Gedankenansatz mit auf den Weg.

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Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch. -
George Bernard Shaw (1856-1950), Irischer Dramatiker und Satiriker
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12.09.2009, 14:38
Beitrag: #7
RE: Vollstreckungsschutz bei Mieten § 319 AO i. v. m. § 851 b ZPO
zaunkönig schrieb:Schlimm daran ist, dass das FA eine EV vorliegen hat und um die gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen weiß. Für mich ein Verstoß gegen geltendes Recht (aber nur unter diesen speziellen Voraussetzungen).
Genau so sehe ich das auch. Hintergrund scheint mir weniger die korrekte Gesetzesanwendung als der Umstand zu sein, dass der Steuerpflichtige (wie ich sicher weiß) einen "roten Reiter" beim Finanzamt hat, die Entscheidungen werden jeweils von der Amtsleitung getroffen.

Es wird unterschwellig einfach unterstellt, derjenige habe zu besseren Zeiten etwas beiseite geschafft (was definitiv nicht der Fall ist).
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12.09.2009, 22:08
Beitrag: #8
RE: Vollstreckungsschutz bei Mieten § 319 AO i. v. m. § 851 b ZPO
meyer schrieb:Es wird unterschwellig einfach unterstellt, derjenige habe zu besseren Zeiten etwas beiseite geschafft (was definitiv nicht der Fall ist).

Warum wird dann keine Inso beantragt?
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