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Änderungssperre auch bei § 172 AO ?
27.01.2009, 21:03
Beitrag: #1
Änderungssperre auch bei § 172 AO ?
Hallo an Alle,
habe momentan wohl ein Brett vor dem Kopf und hoffe hier auf Erlösung.

Problem:

Bestandskräftiger Erstbescheid. Änderung nach § 175 AO zu Gunsten. Noch während der Rechtsbehelfsfrist für den Änderungsbescheid wird ein Änderungsantrag nach § 172 AO (Auswirkung wiederumg zu Gunsten) gestellt.

Mein Bauch und mein Rechtsverständnis sagt, dass eine weitere Änderung zu Gunsten nicht möglich ist. Wäre statt des Änderungsantrages Einspruch eingelegt worden, schiede ein Änderung wegen § 351 Abs. 1 AO aus. Hier liegt jedoch ein Änderungsantrag vor Sad

Rein formal betrachtet sind alle TBM des § 172 AO erfüllt. Aber es kann doch nicht sein, dass über einen Änderungsantrages die Änderungssperre des § 351 AO ausgehebelt werden kann?

Meine Studienunterlagen sagen,
Zitat:Nach h.M. ist § 351 AO aber auch für schlichte Änderungen nach § 172 AO anwendbar, weil die Antragsfrist des § 172 AO der Einspruchsfrist entspricht und damit in beiden Fällen dasselbe Ziel verfolgt wird:Schutz der materiellen Bestandskraft eine VA.

Leider habe nicht entsprechendes in folgenden Kommentaren gefunden:Tipke/Kruse, HHS und Klein.

Weiss jemand von Euch Rat?

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29.01.2009, 18:17
Beitrag: #2
RE: Änderungssperre auch bei § 172 AO ?
Hi,

also ich glaube du siehst das Richtig. Fassen wir mal zusammen, was ich an Sachverhalt verstehe. Es besteht ein Folgebescheid, der ist bestandskräftig. Nun wird ein Grundlagenbescheid (GLB) geändert (bspw. FuE Bescheid mit Beteiligungseinkünften für den Stpfl.), wonach das FA einen Folgebescheid (FB; hier EStB) ändert.. Hiernach legt der Stpfl. innerhalb der RB-Frist Antrag 172 mit anderen Änderungswünschen zugunsten ein.

Die Reichweite der Änderung nach § 175 AO ergibt sich aus der Bindungswirkung des GLB. Nur soweit der GLB geändert wird, muss und kann das Finanzamt auch den FB ändern. Wiederaufnahme des "Gesamtfalls" ist nicht zulässig. So Pahlke/König, AO § 175 Rn. 21; BFH BStBl. II 91, 821.

Der zulässige Einspruch gegen den nun geänderten FB ist nur insoweit begründet, als er sich auf die Voraussetzungen des § 175 I Nr. 1 AO (Vorliegen dessen Voraussetzungen; bspw. Unwirksamkeit des GLB) oder eine fehlerhafte Umsetzung des GLB in den FB bezieht. Weiteres geht nicht nach § 351 I AO, 42 FGO.

Auch der § 172 Antrag innerhalb der RB Frist kann nicht weitergehen. Der Grund liegt m.E. in der Systematik. Der FB (ursprünglich) ist ja bereits bestandskräftig. Nur punktuell wird er nunmehr geändert. Also liegt in dem neuen "Papier" eigentlich ein punktueller geänderter neuer Folgebescheid und die Wiederholung des ursprünglichen Inhaltes (sog. wiederholende Verfügung). Das FA erlässt keinen vollständigen neuen Folgebescheid, der nicht durch § 175 geänderte Teil bleibt formell und materiell bestandskräftig.

Im Ergebnis kann deshalb auch nur der Einspruch soweit reichen. § 351 I AO wird deshalb auch zT als "deklaratorische Norm" beschrieben, da sie nichts besonderes anordnet, was sich nicht schon allein aus der Systematik ergibt. Das wäre leider nur die Mindermeinung. Der BFH sieht es anders. Hiernach ist auch der geänderte Bescheid ein voller Bescheid, der lediglich den alten Regelungsgegenstand mit aufnimmt. Deshalb ist § 351 I AO nötig und konstitutiv. Der BFH hat aber selbst Mühen damit. Wenn nämlich der Änderungsbescheid "wegfällt" (bspw. nicht war), dann muss der BFH den alten Bescheid ja wieder aufleben lassen, weil er ja nun komplett aus der Welt war. Das sagt er auch so (BFH BStBl. II 73, 231 u. 02, 2).

Also haben wir nach dem BFH das Problem, dass § 351 I AO sich nur auf Einsprüche bezieht. § 172 (schlichte Änderung) hat ja den Zweck, eine Alternative zum Einspruchsverfahren zu sein und dies schneller und einfacher für den Bürger. Wenn aber die schlichte Änderung nur ein schnelleres Verfahren als das Einspruchsverfahren zugunsten des Steuerpflichtigen sein soll (Zugunstenänderung mit Zustimmung), dann kann dieses Verfahren nicht weiter Reichen als "sein großer Bruder". Man kann somit mit Fug und Recht eine verdeckte Regelungslücke insoweit sehen, als in der schlichten Änderung die Anwendung von § 351 AO nicht angeordnet ist und somit kann man diesen analog anwenden.

Wie gesagt, zur analogen Anwendung kommt man nur, wenn man mit dem BFH annimmt, dass der neue EStB insgesamt erlassen wurde und nicht nur eine punktuelle Neurregelung nebst wiederholender Verfügung vorliegt.

Ich hoffe nun wirds klarer.

Mfg

showbee
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29.01.2009, 18:35
Beitrag: #3
RE: Änderungssperre auch bei § 172 AO ?
Danke für die umfangreichen Ausführungen.

Sie haben mir echt weiter geholfen aber auch wieder gezeigt, dass es doch so ein paar Einzelfälle gibt, welche die AO nicht regelt. Und das, obwohl ich die AO als eines der gelungensten Steuergesetze ansehe.

Im Ergebnis kann m.E. nichts anderes rauskommen, als dass keine Änderung möglich ist. Nur der Weg, der hat sich mir geistig eben nicht erschlossen. Deinen Ausführungen konnte ich folgen und nun ist es etwas klarer.

Vielen Dank dafür.

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29.01.2009, 18:38
Beitrag: #4
RE: Änderungssperre auch bei § 172 AO ?
Das freut mich! Wenn du Zugriff auf HHSp hast, dann lies doch nochmal dort nach, also zu § 351 I AO, dort ist das Problem mit der wiederholenden Verfügung und der konstitutiven/deklaratorischen Wirkung der Norm ausgeführt. Auch ist der Abschnitt "vor § 172 AO" ganz gut lesbar.
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29.01.2009, 18:51
Beitrag: #5
RE: Änderungssperre auch bei § 172 AO ?
Den hab ich hier und das Thema ist mir auch bekannt und ich habe es auch schon gelesen. Da es aber leider Mindermeinung ist und nicht dem BFH entspricht, ist es für meine Argumentationszwecke immer recht schwierig zu verwenden.

Aber ich finde es schon erstaunlich, dass sich kein Kommentar schlicht und ergreifend dazu äußert, dass § 351 Abs. 1 AO auf den § 172 AO analog anzuwenden ist. Da aber der HHSp und auch der T/K hinsichtlich der wiederholenden Verfügung die gleiche Meinung vertreten, haben sie es sich auch gleich verkniffen, auf eine analoge Anwendung hinzuweisen. (zumindest meine Vermutung Rolleyes )

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29.01.2009, 23:00
Beitrag: #6
RE: Änderungssperre auch bei § 172 AO ?
Hast du mal Juris nach "§ 351 AO analog" durchsucht?
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30.01.2009, 17:48
Beitrag: #7
RE: Änderungssperre auch bei § 172 AO ?
Ja, aber leider nichts entsprechendes gefunden.

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