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Steuerliche Rückwirkung ja oder nein ? - Druckversion

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Steuerliche Rückwirkung ja oder nein ? - meyer - 09.11.2010 17:10

Ich stelle mal folgendes Problem zur Diskussion:

Vater überträgt Einzelunternehmen unentgeltlich im Weg der vorweggenommenen Erbfolge auf Sohn. Vater macht in seinem letzten Jahr einen hohen sechsstelligen Gewinn.

Faktisch ist Vater noch selber maßgeblich aktiv.

Direkt nach Übertragung: Wirtschaftskrise. Unternehmen macht im Folgejahr daher sechsstelligen Verlust und hat hohen Liquditätsbedarf. Vater steckt alle Reserven rein.

(Berater gab es bis dahin nicht oder wurde nicht gefragt).

Stand jetzt: Vater soll die Steuern auf den Gewinn vor der Übertragung zahlen, hat aber nichts mehr, da alles im Betrieb versackt ist. Verlustrücktrag auch nicht möglich, da Verlust beim Sohn.

Es wäre im konkreten Fall aufgrund vertraglicher Regelungen möglich, den Vertrag mit zivilrechtlicher Wirksamkeit rückabzuwickeln.

Frage: Bestehen auch steuerlich Rückwirkungsmöglichkeiten, wäre also noch irgendwas zu retten mit Verlustrücktrag?

Ich fürchte erstmal nein, da steuerrechtlich, was die laufenden Einkünfte angeht, keine Rückwirkung eintritt, § 41 AO.

Oder sieht noch jemand eine Chance?

(Anmerkung: Schenkungsteuer, Grunderwerbsteuer oder ähnliches, bei dem eine Rückwirkung ggf. eintritt, sind hier nicht das Problem).


RE: Steuerliche Rückwirkung ja oder nein ? - phönix - 09.11.2010 17:34

Nur mal als Idee - ohne weitere Prüfung
BFH Urteil vom 28.10.2009 - IX R 17/09


RE: Steuerliche Rückwirkung ja oder nein ? - meyer - 09.11.2010 17:54

Danke für den Hinweis. Das Urteil ist mir bekannt, hilft aber nicht weiter, da es dabei nur darum ging, ob sich eine Rückwirkung auf einen Veräußerungsgewinn ergab, also auf eine punktuelle Sache.

Mir geht es aber um laufende Einkünfte nach der ursprünglichen Übertragung, konkret um den Gewinn, besser Verlust, aus dem Einzelunternehmen.


RE: Steuerliche Rückwirkung ja oder nein ? - phönix - 09.11.2010 18:01

siehe PN


RE: Steuerliche Rückwirkung ja oder nein ? - zaunkönig - 09.11.2010 19:27

Hallo,

was ist denn zivilrechtlich hinsichtlich des Betriebsübergangs vertraglich schon festgehalten worden bzw. welche Informationen und Unterlagen sind gegenüber Dritten überhaupt schon veröffentlicht?


Gibt es eine Vereinbarung zwischen Vater und Sohn hinsichtlich der Übernahme der steuerlichen Verpflichtungen?


Wie wahrscheinlich lässt sich ein heftiger Familienzwist nach außen verkaufen?


RE: Steuerliche Rückwirkung ja oder nein ? - meyer - 09.11.2010 20:30

Mir geht es um die rein steuerliche Seite. Zivilrechtlich kann eine Rückabwicklungsmöglichkeit (zumindest nach Aussage eines Fachanwalts) unterstellt werden. Natürlich sind die Vertragsverhältnisse Dritten z. B. FA bekannt. Der Sohn hat das Unternehmen ja offiziell übernommen und ist entsprechend nach außen aufgetreten. Konkret wären etwa zwei Jahre rückabzuwickeln.


RE: Steuerliche Rückwirkung ja oder nein ? - Kiharu - 09.11.2010 21:44

Ich seh da leider keine Chance.

Auszug aus LfSt Bayern 23.11.2007, S 2256 - 33 St 32/St 33 zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bei Rückabwicklung der Grundstückskaufvertrages

Zitat:Zivilrechtlich entfaltet die Aufhebung des Kaufvertrags Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags. Steuerlich gilt jedoch der Grundsatz, dass zivilrechtlich zurückwirkende Vereinbarungen bzw. Gerichtsentscheidungen keine steuerliche Rückwirkung entfalten können. Wenn der Tatbestand der Einkünfteerzielung verwirklicht worden ist, lässt sich das nicht rückwirkend ändern (§§ 38, 41 AO). Die zivilrechtliche Rückwirkung wird deshalb bei laufend veranlagten Steuern nicht nachvollzogen, sondern beschränkt sich auf einmalig festgesetzte Steuern wie Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer. Für den Bereich der Einkommensteuer gilt der „Grundsatz der Unabänderlichkeit des verwirklichten Einkünfteerzielungstatbestandes” (BFH vom 21.10.1999, BStBl 2000 II S. 424 = SIS 00 03 72 sowie vom 15.3.2000, BFH/NV 2000 S. 1185 = SIS 00 12 54).



RE: Steuerliche Rückwirkung ja oder nein ? - showbee - 09.11.2010 22:45

meyer schrieb:Danke für den Hinweis. Das Urteil ist mir bekannt, hilft aber nicht weiter, da es dabei nur darum ging, ob sich eine Rückwirkung auf einen Veräußerungsgewinn ergab, also auf eine punktuelle Sache.

Mir geht es aber um laufende Einkünfte nach der ursprünglichen Übertragung, konkret um den Gewinn, besser Verlust, aus dem Einzelunternehmen.


Nunja, es ist m.E. die einzig denkbare Lösung; Rückabwicklung der gesamten vorweggenommenen Erbfolge bzgl. des Unternehmens. Und das geht nur mit speziellen Steuerklauseln, wenn sie denn im ursprünglichen Vertrag vereinbart waren.

Ansonsten bliebe wohl nur, die "Zuschüsse" in Sohnemanns Unternehmen irgendwie als Verluste zu qualifizieren. Also müssten Darlehen vorliegen, die nun auf 0,- abgeschrieben werden. Dafür müsste man aber irgendwie Betriebsvermögen haben. Gabs da ggf. was beim Vater?

Als letzter Anker bleibt dann nur der Antrag auf Erlass, der m.E. in einer offensichtlichen Lage (nur Pech wegen Abschnittsbesteuerung) sogar Aussicht auf Erfolg haben könnte.


RE: Steuerliche Rückwirkung ja oder nein ? - zaunkönig - 10.11.2010 09:47

Hallo,

naja, aus steuerrechtlicher Sicht sehe ich keine Möglichkeit. Der BFH hat zwar mal im Zusammenhang mit einem Anteilsverkauf einer GmbH eine steuerliche Rückabwicklung bejaht (aufschiebend bedingte Vertragsklausel wegen Entzug der Geschäftsgrundlage bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses), hilft hier aber nicht weiter.

Auf ein Strohmann- oder Scheingeschäft kann man sich auch nicht herausreden.

Der Rechtsübergang zu Lebzeiten ließe sich zwar schenkungs- / erbschaftssteuerlich rückabwickeln, allerdings hat dies keinen Einfluss auf die Zurechnung der Einkünfte, weil dem § 41 AO entgegensteht.

Etwas in Richtung § 39 AO zu konstruieren würde sich wohl nicht halten lassen, da der Sohn ja nach Außen über die Verfügungsgewallt des Wirtschaftsgutes (Unternehmen) inne hatte.


Meine Frage nach den zivilrechtlichen Vereinbarungen und der Bekanntgabe nach außen ist jedoch nicht ohne Hintergedanken.
Könnte man zivilrechtlich nachweisen, dass der Betriebsübergang zivilrechtlich mit einem uneingeschränkten Rücktrittsrecht verbunden wäre, so stellt nach der Rechtslage seit 2008 diese Klausel steuerlich ein Verstoß gegen § 42 AO dar. Denn das Steuerrecht geht davon aus, dass ein Vermögensübergang nicht stattgefunden hat, da es am dezidierten Willen der Vertragsparteien zur Erfüllung des Rechtsgeschäfts mangelt.


Theoretisch, vermutlich aber mit wenig Aussicht auf Erfolg, ließe sich das Unternehmen durch einen neuen Vertrag rückübertragen. Allerdings schreit dies förmlich nach einem Gestaltungsmißbrauch, da es hier um nahe Angehörige geht.

Und jedwede andere Idee ist rechtlich so abenteuerlich, dass die Gerichtsbarkeiten über Jahrzehnte damit beschäftigt sein werden.



Dass mit dem Erlaßantrag sehe ich eher weniger erfolgreich. An der Steuerfestsetzung als solches gib es wohl nichts zu deuteln. Da die Steuer aufgrund der wirtschaftlichen Gutlage des Unternehmens entstanden ist, müssen die Gewinne ja tatsächlich auch vorhanden gewesen sein. Insoweit ist es einem Steuerpflichtigen zuzumuten sich auf die zu erwartenden Belastungen einzustellen und die notwendige Vorsorge für die Zahllast zu treffen.
Persönliche finanzielle Notlage kann gegebenenfalls ein Erlaßgrund sein, aber nur dann, wenn ihm die Situation nicht zuzurechnen ist und soweit ihm nicht andere Möglichkeiten offen stehen die Steuerschuld zu begleichen (z.B. Darlehen, Bankkredite etc.). Das müsste ja dann auch entsprechend nachgewiesen werden.


Sieht insgesamt nicht gut aus.


RE: Steuerliche Rückwirkung ja oder nein ? - Taxman - 10.11.2010 13:14

ist das kind bereits komplett in den brunnen gefallen, oder könnte man hier noch was gestalten? ich denke da an § 20 II nr. 7 EStG, sofern es von den Veranlagungszeiträumen her passt.