Steuerberater

Normale Version: Verlust §17/Steuerfahndung/§10d
Sie sehen gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.
Seiten: 1 2 3
Hallo zusammen,

ich habe derzeit ein recht vielschichtiges Problem, welches leider insbesondere durch die Vogel-Strauß-Taktik des Mandanten maßgeblich beeinflusst wurde und wird.

Mandant kam neu, da die Steuerfahndung ihm einen freundlichen Besuch abgestattet hatte.

Sachverhalt:

Mandant, GesGF einer GmbH, hat Januar 2004 für die GmbH die Insolvenz angemeldet. Unterdeckung beläuft sich auf ca. 4 Mio Euro, Aktivwerte reichen jedoch aus, um Verfahrenskosten zu decken, ergo Eröffnung des Verfahrens.

Bürgschaftsinanspruchnahme des GF durch die finanzierenden Banken zu 100%

Mandant macht ab 2005 Einzelunternehmen/gewerbl. Tätigkeit.

Wegen der Bürgschaften etc. geht er zum FA und erzählt was von Verluste, keine Einnahmen, kein Geld, heul heul, FA lässt sich aus mir weder bekannten noch begreiflichen Gründen drauf ein und erteilt NV-Bescheinigungen für die Jahre 2005 bis 2008, weswegen Mandant nun der Meinung ist, er muss keine Steuererklärungen für die Jahre mehr abgeben.

=> Ergo: Fahndung wird aktiv.

Fakt ist, wir haben die Jahre 2005 - 2011 noch offen, 2005 bis 2008 durch Fahndung (Hinterziehungstatbestand ist unstreitig erfüllt) und 2009 bis 2011 durch RB oder noch nicht erfolgte Veranlagung.

Es geht um die Berücksichtigung eines Verlustes nach §17 EStG aus der Insolvenz. InsVerf. ist bislang nicht abgeschlossen, per Stand heute wird dies auch noch einige Jahre dauern.

Strittig ist der Entstehungszeitpunkt und die Berücksichtigungsfähigkeit des insoweit festzustellenden Verlustes.

Gutachten des InsVerwalters aus 2009 liegt vor, dass aus seiner Sicht bereits im Jahr 2004 feststand, dass Verlustentstehung sicher und Quote weitgehend sicher bestimmbar bekannt.

FA und wir sind uns einig, dass Verlust existent und steuerlich wirksam, jedoch scheitern alle Beteiligten an der zeitlichen Zuordnung und der verfahrensrechtlichen Umsetzung.

Meinungen des FA sagen, Verlustentstehung ist definitiv entweder 2004 oder 2009 (finden aber keinen Konsens). Ich sage, Verlustentstehung müsste 2004 sein (Bezug des Gutachtens). Mandant sagt - mir doch egal, hauptsache ich zahle keine Steuern.

2009 - könnte ich mit leben, auch wenn Steuerzahlungen für 05-07 ausgelöst würden, die Mandant Dank Verlust nicht zahlen kann (das ist aber bekanntlich ein ganz anderes Problem)
2004 - FA ist unsicher, ob Jahr noch änderbar. Evtl. wäre Abschluss der Insolvenz ein Rückwirkendes Ereignis? Dann kann Stpfl. jetzt auch steuerlich nicht schlechter gestellt werden.

Fragen:
1.) Wenn 2004 nun nicht änderbar, kann ein ggf mathematisch fortgeschriebener Verlust im Rahmen der Fahndung erstmals in 2005 festgestellt werden?

Und zwar: Dem Grunde nach nach §17 EStG in 2004 und der (erstmaligen) Höhe nach nach §10d EStG in 2005? Denn: Aufgabe der Fahndung ist es, die Besteuerungsgrundlagen des betreffenden Jahres zu ermitteln. Die Feststellung der Existenz eines Verlustvortrags ist eine Besteuerungsgrundlage in diesem Sinne, selbst wenn 2004 wegen angenommener Festsetzungsverjährung oder sonstigen verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr änderbar wäre?

2.) Finanzamt weist Antrag auf Verlustfeststellung in 2004 zurück - Einspruch erfolglos. Da zu dieser Zeit Gutachten noch nicht vorlag. Mit Verweis, dass Verlust zwar dem Grunde nach, aber "jetzt noch nicht". 2009 wird nun Gutachten vorgelegt. Danach wohl doch 2004, aber "da habt ihr jetzt Pech gehabt, 2004 ist nicht mehr änderbar"

Nun kann ich nicht sagen, warum seinerzeit gegen die Einspruchsentscheidung 2004 keine Klage eingelegt wurde, könnte mir aber vorstellen, dass es mit dem Grundprinzip des §17 zu tun hat, dass Anerkennung erst, wenn InsVerfahren abgeschlossen. Da das Ping-Pong vom FA aber wohl auch nicht wirklich akzeptabel, bietet sich eine Möglichkeit in 2004 (oder 2005) noch reinzukommen?

Hat irgendeiner hier zufällig eine praktikable Idee, mit der man kurzfristig argumentieren könnte, um den Entscheidungsprozess des FA zu beschleunigen und zu lenken?

=> Ziel ist möglichst die Anerkennung des Verlustes so, dass er für 2005 schon wirkt!

Danke vielmals schon mal im Voraus, mein Wald wächst immer mehr mit Bäumen zu :-(
(noch mal editiert)

Nur mal so zum Nachdenken:

Entscheidend ist doch der Zeitpunkt, zu dem mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass Verlust erlitten wird. Da die Erklärung für 2004 erst 2005/2006 abgegeben sein wird, dürften hier auch schon Bürgschaftsinanspruchnahmen erfolgt sein. Kenntnis über das nicht vorhandene werthaltige Vermögen hat man als GF ohnehin im Normalfall. Der Zeitpunkt ist eine Tatfrage, kaum verhandelbar.

Was sagt der Steuerberater des Mandanten, den der Mandant für 2004 mit der Erstellung der Steuererklärungen beauftragt hat?
Warum hat er den Verlust nicht angesetzt? Offensichtlich ist ja 2004 eine Erklärung eingereicht worden?
Hier hätte pflichtgemäß eigentlich eine (vorsichtshalber) Erklärung eines 17er Verlustes erfolgen müssen. Nach Ablehnung des 17er Verlustes durch FA dann entsprechendes Offenhalten eines zwangsweisen Einspruchs, ggf. Klage.

Die auch damals schon übliche Argumentation der Verwaltung, dass der Verlust im richtigen Zeitpunkt anzusetzen ist, und dieser Zeitpunkt jetzt noch nicht gegeben ist oder schon längst vorbei ist, ist seit vielen Jahren bekannt. Podsziech zieht mit seinen Vorträgen darüber schon seit mindestens 10 Jahren über Land.

So böse es auch klingt und ich das Ganze lieber mit rechtlicher Argumentation ggüber dem FA klären möchte, aber: Möglicherweise bleibt die Haftpflichtversicherung des Steuerberaters die letzte Hoffnung.
Könnte ein 174 Abs. 3 sein. Aber nur aus dem Bauch. Muss ich mir mal noch genauer ansehen. Bin gerade etwas behindert (nur Handy - keinen Zugriff auf Literatur)
Ich werfe für 2004 mal § 173 (1) Nr. 2 AO in die Runde. Fraglich ist doch hier, ob und inwieweit dem Stpfl. hier der InsVerw. zur Last gelegt werden kann.
(13.06.2013 22:14)Taxman schrieb: [ -> ]Ich werfe für 2004 mal § 173 (1) Nr. 2 AO in die Runde.
Den schließe ich aus. Für die ESt-Erklärung ist er selbst verantwortlich. Er hätte den Verlust beantragen können. Da kann er schon was dazu....
War auch nur eine Idee, §173 ins Feld zu führen, ist immer eine heikle Angelegenheit Big Grin
Da musst du warten bis ich noch älter bin. Dann ist für mich alles -jeden Tag- eine neue Tatsache. Big Grin
Im Stadium homo senilus sozusagen. Wink
ich werf nochmal den 174 Abs. 3 Ao mit ins Rennen :-)

lg, jive
Wow, so schön viele Antworten :-)

Mal versucht der Reihe nach:

- Der Verlust für 2004 ist angeblich erklärt worden. da wir aber in vielen Fragen schon widersprüchliche Aussagen haben, prüft das FA derzeit, welche Erklärung die tatsächlich vorliegen haben.

- Haftpflicht des Exberaters habe ich tatsächlich auch schon gedanklich einbezogen. Der Ex-Berater ist angeblich auch schwer erkrankt, weswegen er wohl aktuell nicht befragt werden kann. Aber nichts Genaues weiß man bekannlich ja nicht.

- Nachweislich hat das FA für die Jahre 2005 bis 2008 ob der Verlustsituation dem StPfl. eine NV-Bescheinigung ausgestellt. Sofern wir über den §173 reden, kann ich mir nicht vorstellen, dass das FA sich mit anteiligem Verschulden des StPfl. rausreden kann, diesem widerspricht bereits das Ausstellen der NV-Bescheinigungen (das hat der StPfl. auch allein geregelt. Dem StB ist die NV-Bescheinigung erst im Jahre 2010 bekannt geworden, soweit konnte das schon rekonstruiert werden.
Aber mal in die Verfahrensrunde gefragt:

Wie ist denn das mit den Feststellungen der Steuerfahndung?

Ist das Bestehen eines §10d EStG nicht Teil der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen? Auch wenn es keinen auslösenden Bescheid für 2004 gibt (unterstellen wir bitte einmal, dass 2004 das fragliche Jahr gewesen wäre), so dient das Steuer(verfahrens)recht ja nicht dazu, einen Steuerpflichtigen bei sich langjährig auswirkenden Tatsachen für alle Zeiten von seinem Recht zu beschneiden, oder?

Ein Wirtschaftsgut verliert ja auch seine Eigenschaft als Wirtschaftsgut nicht deswegen, weil ich im Jahr des Erwerbs eine Buchung mal vergessen habe... (ok, schlechtes Beispiel, aber mir fällt auch grad nix besseres ein...)
(14.06.2013 13:57)StefanHH schrieb: [ -> ]Ist das Bestehen eines §10d EStG nicht Teil der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen? Auch wenn es keinen auslösenden Bescheid für 2004 gibt (unterstellen wir bitte einmal, dass 2004 das fragliche Jahr gewesen wäre), so dient das Steuer(verfahrens)recht ja nicht dazu, einen Steuerpflichtigen bei sich langjährig auswirkenden Tatsachen für alle Zeiten von seinem Recht zu beschneiden, oder?

Wenn Du nachweist, dass gerade im Jahr 2005 der einzige Zeitpunkt war, zu dem "feststand", dass der Verlust nahezu 100%ig eintritt, kannst du selbstverständlich 2005 insoweit angreifen. Danach Ertragsteuer wahrscheinlich = Null. Damit keine Steuerhinterziehung. Was ich jetzt nicht so schnell lösen kann, wäre die Frage, ob Du aus dem ansonsten verjährten Jahr 2005 - wenn keine Hinterziehung vorliegen sollte - noch einen Anspruch auf Verlustfeststellung ableiten könntest. Aus dem Bauch heraus würde ich das verneinen, aber da sind die hier vertretenen AO-Leute bestimmt besser drauf als ich.

(14.06.2013 13:57)StefanHH schrieb: [ -> ]Ein Wirtschaftsgut verliert ja auch seine Eigenschaft als Wirtschaftsgut nicht deswegen, weil ich im Jahr des Erwerbs eine Buchung mal vergessen habe... (ok, schlechtes Beispiel, aber mir fällt auch grad nix besseres ein...)

wir haben es bloß nicht mit einem Wirtschaftsgut zu tun, sondern mit dem Termin eines Ereignisses, nämlich der sicheren Erkenntnis, dass ein Verlust eintritt. Und da gilt ausschließlich Abschnittsbesteuerung.
Seiten: 1 2 3
Referenz-URLs